Bürgerbeteiligung bei der Energiewende – Was Deutschland von Dänemark lernen kann
18.02.2015
Bürgerenergiegesellschaften sind ein tragender Pfeiler der deutschen Energiewende. Doch 2014 war für sie ein schwieriges Jahr. So wurden deutlich weniger Bürgerenergiegenossenschaften gegründet als im Vorjahr, und die politischen Rahmenbedingungen wurden drastisch verändert. 2012 war knapp die Hälfte der gesamten installierten Kapazität an erneuerbaren Energien (EE) in Deutschland in Bürgerhand. Mehr als tausend Bürgerenergiegesellschaften, beispielsweise Energiegenossenschaften oder Bürgerwindparks, entstanden und trugen zu erhöhter Akzeptanz und lokaler Wertschöpfung bei. Ermöglicht wurde dies durch eine feste Einspeisevergütung und Abnahmegarantien für grünen Strom unter dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). 2014 hat die Bundesregierung das EEG allerdings grundlegend reformiert. Betreiber von Neuanlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 500 Kilowatt (kW) müssen ihren Strom direkt vermarkten. Anstatt einer festen Vergütung erhalten sie zusätzlich zu den erzielten Verkaufserlösen an der Strombörse die sogenannte gleitende Marktprämie. Damit will der Gesetzgeber Anreize für eine bedarfsgerechte Stromproduktion setzen, um erneuerbare Energien besser in den nationalen Markt und europäische Strommärkte zu integrieren.
Im Rahmen der EEG-Reform 2014 wurden jedoch Befürchtungen seitens Bürgerverbänden und Forschung laut, dass sich kleine Akteure wie Bürgerenergiegesellschaften künftig nicht mehr am Ausbau erneuerbarer Energien beteiligen können. Konkret wird argumentiert, dass die Direktvermarktung Finanzierungskosten für kleine Projekte erhöhe und Bürgerenergiegesellschaften zur Vermarktung ihres Stroms von den Konditionen einiger weniger Großhändler abhängig seien. Ein Blick nach Dänemark, das bereits 2003 eine ähnliche Reform umgesetzt hat, zeigt, dass Marktprämien und Direktvermarktung die Entstehungsdynamik von Bürgerenergiegesellschaften bremsen können. Der Fall Dänemark zeigt aber auch, dass bestimmte Rahmenbedingungen Bürgerenergiegesellschaften zu neuem Aufschwung verhelfen können.
Der dänische Weg: Zusammenschlüsse, Kooperation und verpflichtende Beteiligung von Bürgern
Dänemark ist ein Pionier in Sachen Windenergie und Bürgerbeteiligung. Bereits im Jahr 2002 lag der Anteil von Windenergie in der Stromproduktion bei 15 Prozent (heute liegt er bereits bei 39 Prozent). Zu diesem Zeitpunkt wurden circa 40 Prozent aller Anlagen von lokalen Windenergiegenossenschaften betrieben. Mit der Einführung einer fixen Marktprämie im Jahr 2003 kam der Ausbau der Windenergie bis 2008 fast vollständig zum Erliegen. Ähnlich wie heute in Deutschland wurden feste Vergütungen abgeschafft und Betreiber von Neuanlagen mussten ihren Strom selbst vermarkten. Seitdem beschränkt sich die Vergütung von Windenergieanlagen (WEA) auf eine fixe Marktprämie, einen im Vorfeld festgesetzten Betrag, der zusätzlich zu Verkaufserlösen an der Strombörse vergütet wird. Diese Prämie war allerdings sehr gering und das hohe finanzielle Risiko schreckte fast alle Investoren ab. Vor allem Bürger sahen keine Möglichkeit, Windenergiegenossenschaften zu gründen oder den Betrieb weiterzuführen. Infolgedessen wurden zwischen 2003 und 2008 keine neuen Genossenschaften gegründet.
Seit 2009 wächst die Zahl der Windräder wieder stetig an und es wurden auch eine Reihe neuer Windenergiegenossenschaften gegründet. Dies hängt zum einen mit einer Reform des Promotion of Renewable Energy Sources Act 2009 und einer deutlichen Erhöhung der Marktprämie zusammen. Zum anderen haben meines Erachtens drei wesentliche Bedingungen das Fortbestehen und die Neugründung von Windenergiegenossenschaften begünstigt:
- Erstens haben sich Genossenschaften und andere private Betreiber von WEA, beispielsweise Landwirte, zusammengeschlossen und eine gemeinsame Handelsgenossenschaft (Vindenergi Danmark) gegründet. Diese vertreibt seit 2003 den Strom ihrer Mitglieder, welche gleichzeitig Anteilseigner der Genossenschaft sind. Dabei folgt Vindenergi Danmark einem Non-Profit-Prinzip: Alle Gewinne werden reinvestiert oder als Dividende ausgezahlt. 2013 hat Vindenergi Danmark ein Portfolio von 2.500 MW vertrieben, was einem Marktanteil von 50 Prozent entspricht. Diese maßgebliche Größe des Portfolios und die genossenschaftliche Organisationsform haben dazu geführt, dass die Wirtschaftlichkeit für kleine Anlagenbetreiber kontinuierlich verbessert wurde und weniger Bürger davor zurückschreckten, sich wieder zu beteiligen.
- Zweitens haben lokale Genossenschaften immer häufiger mit Gemeinden, Stiftungen, Stadtwerken oder Energieunternehmen kooperiert. Windenergieprojekte sind kapitalintensiv und am Anfang eines Projektes muss viel Geld für Machbarkeitsstudien, Pacht und Genehmigungen investiert werden. Für Genossenschaften ist dieser Punkt besonders kritisch, da sie mit Hilfe von kleinen Beiträgen von Bürgern und Krediten in Vorleistung gehen müssen, ohne dass es eine Garantie für die Realisierung eines Projektes gibt. Um dieses Problem zu lösen, kooperieren Genossenschaften zunehmend mit finanzstarken Akteuren. So lässt sich das Beispiel einer lokalen Genossenschaft aus Kopenhagen anführen, die gemeinsam mit dem Energieriesen DONG Energy zwei Windenergieanlagen realisiert hat. Während sie die Planungs- und Bauphase gemeinsam koordinierten, betreiben nun beide Partner vollkommen unabhängig voneinander jeweils eine der Anlagen.
- Drittens sind auch neue Genossenschaften aus einer gesetzlichen Regelung entstanden, die Projektträger seit 2009 verpflichtet, der lokalen Bevölkerung eine finanzielle Beteiligung von mindestens 20 Prozent an neuen Anlagen anzubieten.
Deutsche Bürgerenergiegesellschaften sollten ihre Ressourcen bündeln und neue Geschäftsmodelle entwickeln
Das Fallbeispiel Dänemark zeigt, dass Markintegration ein erhebliches Hindernis darstellt, aber nicht das Ende von Bürgerenergie bedeuten muss. Die Beteiligung von Bürgern kann durch gesetzliche Regelungen gefördert werden. So gibt es in Mecklenburg-Vorpommern Pläne, ein Beteiligungsgesetz nach dänischem Vorbild einzuführen. Allerdings sind solche Maßnahmen nicht unstrittig. Das Beispiel Dänemark zeigt aber auch, dass der Aufbau einer Dachgenossenschaft zur Stromvermarktung und die Kooperation mit Partnern Risiken vermindert und die wirtschaftlichen Voraussetzungen zur Neugründung von Genossenschaften verbessert. Die Zukunft von Bürgerenergiegesellschaften in Deutschland hängt demnach nicht nur von den politischen Rahmenbedingungen ab. Die Fähigkeit, sich zu Netzwerken zusammenzuschließen, verstärkt Kooperationen einzugehen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, wird an Bedeutung gewinnen. Erste Tendenzen lassen sich bereits beobachten. So haben sich beispielsweise 24 Bürgerenergiegesellschaften zu den „Bürgerwerken“ zusammengeschlossen, um im Verbund Ressourcen zu bündeln und ihren Strom auch unabhängig vom EEG zu vermarkten. Der Entwicklung von reinen Erzeuger-Gemeinschaften hin zu Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften wird dabei große Bedeutung beigemessen.
Wenn es um die Umsetzung der Energiewende geht, können Deutschland und Dänemark trotzdem viel voneinander lernen. Die Beteiligung der Bürger am Ausbau erneuerbarer Energien wird dabei ein wichtiges Thema bleiben, um die Energiewende im Sinne eines „Gemeinschaftswerkes“ fortzuführen. Ein weiteres und ebenso maßgebliches Thema ist die Frage, wie beide Länder zukünftig mit einem Umbau des fossilen Kraftwerksparks umgehen. Dänemark erwägt, sich bis zum Jahr 2025 von der Kohleverstromung unabhängig zu machen. Beide Länder könnten ihre Zusammenarbeit verstärken, um Wege zu erarbeiten, wie ein gesamtgesellschaftlicher Konsens bei der Kohleverstromung erreicht werden kann.
Dieser Blogbeitrag präsentiert Forschungsergebnisse aus der Masterarbeit mit dem Titel „Market Integration and Wind Power Cooperatives in Denmark“. Eine detaillierte Zusammenfassung der Ergebnisse finden Sie hier.
Foto: Stig Nygaard/ CC BY 2.0