Mobilität – eine transatlantische Herausforderung
28.11.2017
Die jährliche Konferenz der Vertragsparteien (COP) der UN Klimarahmenkonvention (UNFCC) nutzen Stakeholder regelmäßig, um Schwachpunkte bei den internationalen Klimaschutzanstrengungen hervorzuheben. Einer dieser Schwachpunkte, der auch bei der COP23 in Bonn zur Sprache kam, ist der Verkehrssektor. Fast alle Länder klammerten diesen in ihren nationalen Verpflichtungen für das Pariser Klimaabkommen aus. Deutschland und die USA spielen in diesem vernachlässigten Politikbereich – als wichtige Zentren der Automobilindustrie, als Treiber der Forschung, als Vorbilder und als soziotechnische Innovationslabore – eine zentrale Rolle.
Schwachpunkte bei der Verkehrswende
Die Ziele des Pariser Klimaabkommens machen eine vollständige weltweite Dekarbonisierung des Verkehrssektors bis Mitte des Jahrhunderts erforderlich. Doch entgegen den allgemeinen Emissionstrends sind die CO2-Emissionen des Verkehrssektors sowohl in den USA als auch in Deutschland seit 1990 gestiegen. Dadurch werden die in anderen Sektoren erzielten Erfolge bei der Emissionsreduzierung untergraben.
Die Dekarbonisierung des Verkehrssektors setzt einen umfassenden Ansatz voraus, der technologische Fortschritte, Digitalisierung, politische Innovationen sowie deutliche Verhaltensänderungen einschließt. Eine Umstellung auf elektrische oder effizientere Fahrzeuge ist nicht ausreichend. Deutschland und die USA werden ihre Ansätze im Bereich der Mobilität von Grund auf ändern müssen. Diese Aufgabe wird jedoch durch die Tatsache erschwert, dass der Besitz eines Autos in der Kultur beider Länder tief verwurzelt ist. Sowohl in der amerikanischen als auch in der deutschen Bevölkerung gelten mit fossilen Brennstoffen betriebene Autos nach wie vor als Symbole von Freiheit und sozioökonomischem Status. Elektrofahrzeuge oder Fahrgemeinschaften sind in Hollywood-Filmen oder Serien wie dem „Tatort“ nur selten zu sehen.
Die Herausforderung ist daher groß. Doch die gute Nachricht lautet: Technologie und soziale Innovationen für einen raschen Ausbau nachhaltiger Mobilität sind vorhanden. Es winken positive wirtschaftliche Nebeneffekte, und eine Nutzung der gut eingespielten transatlantischen Verbindungen für dieses Vorhaben bietet interessante Vorteile.
Ein Überdenken der Mobilität als Chance für die transatlantischen Partner
Transatlantische Meinungsverschiedenheiten zum Thema Klimaschutz sind inzwischen bestens bekannt. Die Schaffung eines nachhaltigen Verkehrssektors geht jedoch über den Klimaschutz hinaus. Sie fördert wettbewerbsfähige Branchen: Städte in Asien sowie in Deutschland und den USA suchen nach Lösungen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung, was zu einer starken Nachfrage nach emissionsarmen Verkehrstechnologien führt. Autobauer in Deutschland und den USA müssen dieser Nachfrage gerecht werden, damit sie der chinesischen Konkurrenz gegenüber nicht das Nachsehen haben. Als Knotenpunkte öffentlich-privater Partnerschaften für Forschung und Entwicklung sowie für technologische Innovationen haben die transatlantischen Partner eine hervorragende Ausgangslage um vom Markt für kohlenstoffarme Fahrzeuge zu profitieren.
Transatlantische Führung und Innovation sollte sich auch auf weitere Lösungen für nachhaltige Mobilität konzentrieren. Einer engen Zusammenarbeit in dieser Angelegenheit auf höchster Regierungsebene setzt die aktuelle politische Lage Grenzen. Subnationale Akteure jedoch – die zahlreichen urbanen Ballungsgebiete, die mit Herausforderungen in den Bereichen des Bevölkerungswachstums, der Luftqualität und der Modernisierung von Infrastrukturen konfrontiert sind – können dabei eine Führungsrolle übernehmen. Hier braucht es Ansätze für eine Beschränkung der Automobilnutzung und eine Umstellung auf nachhaltigere Verkehrsmittel. Teil der Maßnahmen könnte sein, das öffentliche Verkehsnetz zu verbessern sowie Infrastruktur zu schaffen, die die Menschen motiviert, vermehrt zu Fuß zu gehen oder ein Fahrrad zu nutzen.Andere Maßnahmen wiederum könnten auf Verbesserungen bei den digitalen Verkehrsinformationsdiensten sowie auf eine stärkere Förderung gemeinsam genutzter Fahrzeuge (Shared Mobility) abzielen. Eine wichtige Aufgabe der Städte wird es sein, diesen Übergang sozial nachhaltig zu gestalten und sicherzustellen, dass Menschen mit niedrigen Einkommen von der nachhaltigen Mobilität nicht ausgeschlossen werden. Die Anstrengungen für eine nachhaltige Mobilität werden dabei helfen, die CO2-Emissionen zu verringern. Außerdem legen Forschungsergebnisse nahe, dass weitere Vorteile – eine bessere Luftqualität, eine höhere Lebensqualität der Menschen sowie Attraktivität für innovative Unternehmen – mit diesen Anstrengungen verbunden sind.
Städte wie Frankfurt, München, New York und San Francisco führen entsprechende Umstellungen hin zu einer nachhaltigen Mobilität durch. Es lohnt sich, den weiteren Aufbau von Netzwerken zwischen solch aktiven Städten, etwa durch Initiativen wie ICLEI (Local Governments for Sustainability) oder Cities for Mobility, zu unterstützen. Starke Netzwerke fördern den Austausch von Wissen und Erfolgsmethoden bezüglich (finanzieller) Anreizstrukturen, Vorschriften sowie politischer Maßnahmen und fungieren somit als aktive Innovationstreiber.
Die Gelegenheit, beim Übergang zu einer nachhaltigen Mobilität eine Führungsrolle einzunehmen, sollten sich die transatlantischen Partner nicht entgehen lassen. Wenn sie es schaffen, sich als Vorreiter im Bereich Technologie- und Infrastrukturwandel zu etablieren, können sie von Exportchancen profitieren und eine Vorbildfunktion einnehmen. So können sie auch dazu beitragen, dass die Entwicklungsländer deutlich nachhaltigere Verkehrssysteme aufbauen als die Industrieländer.
Dieser Beitrag erschien zuerst am 22. November 2017 auf dem Blog des American Institute for Contemporary German Studies.
Foto oben: istock/anouchka