Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

CO2-Bepreisung für eine sozial gerechte Energiewende

17.09.2019

Nahezu alle Vorschläge für eine klimaneutrale Energieversorgung, die zurzeit in Deutschland diskutiert werden, sehen eine Bepreisung von fossilen Brennstoffen in Form von Steuern, Abgaben oder Zertifikaten vor. Der IASS Policy Brief „CO2-Bepreisung für eine sozial gerechte Energiewende“ empfiehlt, dass die Einnahmen verwendet werden, um zwei Ziele zu erfüllen: Sie sollten erstens die Zielerreichung der Energiewende durch Reduktion von klimaschädlichen Gasen weiter unterstützen. Zweitens sollten sie die durch eine CO2-Bepreisung besonders belasteten Haushalte relativ besser stellen und dadurch für eine ausgleichende Gerechtigkeit sorgen.

energieeffizienter Geräte und Technologien
Eine einkommensabhängige Förderung des Kaufs besonders energieeffizienter Geräte und Technologien federt soziale Härten einer CO2-Bepreisung ab.

Bei einer CO2-Bepreisung sind die Einkommenseffekte für einen Großteil der deutschen Haushalte durchaus spürbar. Zum anderen sind die Effekte ungleich verteilt und würden vor allem die untere Mittelschicht in Deutschland empfindlich treffen. Besonders belastet sind Verbraucherinnen und Verbraucher, die in schlecht isolierten Mietshäusern wohnen, die kaum Geld für energiesparende Geräte aufwenden können und die auf den Pkw für die Fahrt zur Arbeit angewiesen sind. Fast alle politischen Akteure in Deutschland sind sich einig, dass die Einnahmen einer CO2-Bepreisung nicht in den allgemeinen Bundeshaushalt überführt werden, sondern an die Bürgerinnen und Bürger zurückerstattet werden sollen. Meist wird eine Pro-Kopf-Erstattung vorgeschlagen, weil diese die unteren Einkommensschichten proportional besser stellt als die oberen Einkommensschichten. Nominal würde aber jede Person die gleiche Summe erhalten – unabhängig vom Einkommen.

Der aktuelle IASS Policy Brief schlägt konkrete Handlungsempfehlungen vor, um den beiden Zielen, erstens der Förderung der Energiewende und zweitens der ausgleichenden Entlastung, gerecht zu werden.

Strompreis stabil halten

Alles, was den Strompreis steigen lässt, wird sich sozial regressiv auswirken, das heißt die unteren Einkommensschichten relativ stärker belasten als die oberen, – CO2-Bepreisung, wie Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)-Umlage oder Netzentgelte (Frondel and Sommer 2014). Ein gezielter Einsatz der CO2-Einnahmen, der einen weiteren Strompreisanstieg vermeidet oder Preissenkungen erzielt, kann soziale Härten abmildern und gleichzeitig die Energiewende vorantreiben.

Zuschüsse für einkommensschwache Haushalte beim Kauf energieeffizienter Haushalts- und Wärmetechnologien

Maßnahmen, die gezielt den Energie- oder Stromverbrauch senken, entlasten einkommensschwächere Haushalte, die die nötigen Investitionen oft nicht allein stemmen können, proportional am stärksten. Eine einkommensabhängige Förderung für den Kauf besonders energieeffizienter Geräte und Technologien federt gleichzeitig soziale Härten einer CO2-Bepreisung ab und schützt das Klima, da energieeffiziente Geräte die Stromnachfrage senken.   

Programmvolumen für Gebäudesanierung erhöhen und individuelle Förderung sozial staffeln

Ausgereizte Förderprogramme weisen auf nicht ausgeschöpftes Sanierungspotential hin. Zugleich können hohe Investitionskosten als zentrales Sanierungshemmnis durch eine Staffelung individueller Förderung nach sozialen Kriterien reduziert werden. Zur Anhebung der energetischen Sanierungsrate sollte das Volumen der momentan ausgeschöpften Gebäudesanierungsprogramme insgesamt erhöht werden. Eine Aufstockung der individuellen Investitionsförderung könnte nach Einkommen (für Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer) beziehungsweise nach mittlerer Quadratmetermiete (für vermietete Gebäude) gestaffelt werden, sodass Eigenheimbesitzer und -besitzer und mit geringen und mittleren Einkommen sowie Eigentümerinnen und  Eigentümer von vermieteten Gebäuden mit relativ geringen Mieten stärker gefördert werden.

Sozialen Wohnungsbau mit hohem Effizienzstandard umfassend unterstützen

Durch hohe Effizienzstandards kann die Wohnkostenbelastung einkommensschwacher Haushalte langfristig gesenkt werden. Höhere Effizienzstandards sind allerdings meist mit höheren Investitionskosten verbunden. Mindestens diese Mehrkosten sollten vom Bund übernommen werden. Positiver Nebeneffekt dieser Maßnahme ist eine Entlastung des gesamten Wohnungsmarktes.

Alternativen zum Pkw sichtbar stärken

Nur durch Investitionen in hochwertige Infrastruktur für Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), Rad- und Fußverkehr wird sich das Mobilitätsverhalten tatsächlich ändern. Ein wesentlicher Teil der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung muss vom Bund zweckgebunden auf Länder und Kommunen verteilt werden. Dort sollten die Gelder für den Ausbau der ÖPNV-Kapazität und des -Netzes sowie für den zukunftsfähigen Umbau von Rad- und Fußinfrastrukturen nach dem Vorbild von Amsterdam oder Kopenhagen genutzt werden.

Akzeptanz ermöglichen durch gezielte Entlastung und Kommunikation

Haushalte mit niedrigem Einkommen und weiten Pendelwegen müssen finanziell entlastet werden. Dies ist über eine einkommensabhängige Pendlerpauschale umsetzbar, zum Beispiel 40 Cent statt 30 Cent pro Kilometer für einkommensschwache Haushalte. Gleichzeitig sollten ÖPNV-Kosten für alle Haushalte mit einer höheren Pendlerpauschale als die Pkw-Kosten abgegolten werden. Zusätzlich ermöglicht eine verständliche und zielgerichtete Kommunikation der CO2-Bepreisung als Klimabeitrag eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung.


Publikation:
Renn, O. et al.: CO2-Bepreisung für eine sozial gerechte Energiewende. IASS Policy Brief (September/2019), Potsdam. DOI: 10.2312/iass.2019.028

Der IASS Policy Brief ist im Kopernikus-Projekt Energiewende-Navigationssystem | Enavi in Zusammenarbeit mit dem IASS entstanden.

Kontakt

Matthias Tang

Matthias Tang

Leiter Presse und Kommunikation
matthias [dot] tang [at] rifs-potsdam [dot] de
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