Klimaschutz: Wissen und Handeln
14.10.2021
Zwischen dem Wissen über Ursachen, Folgen und geeignete Strategien zur Eindämmung der Klimakrise einerseits und der Umsetzung in Handeln andererseits klafft eine große Lücke. Ein neuer Sammelband stellt aktuelle Debatten über Anwendungsmöglichkeiten einschlägiger Forschungsergebnisse vor.
Der Klimaschutz hat im Wahlkampf eine bedeutende Rolle gespielt, tut dies in den Sondierungen und Koalitionsverhandlungen und wird eines der zentralen Themen der nächsten Bundesregierung sein. Dass der menschengemachte Klimawandel aufgehalten werden muss, darüber sind sich (fast) alle einig. Das Klimagesetz der letzten Bundesregierung gibt längerfristige und pauschale Ziele vor, der Weg dahin blieb offen.
In dieser Situation soll häufig die Wissenschaft Orientierung bieten. Greta Thunberg und die Fridays for Future fordern, die Gesellschaft solle sich „geschlossen hinter die Wissenschaft stellen“. Dahinter steckt häufig die Vorstellung, wir würden die Klimakrise bislang nicht in den Griff bekommen, weil es eine große Lücke zwischen Wissen und Handeln gebe. Gemeint ist damit einerseits, dass naturwissenschaftliche Prognosen über den Verlauf des Klimawandels und die damit verbundenen Gefahren ernst genommen werden sollen. Andererseits steckt aber auch die Vorstellung dahinter, dass anwendungsorientierte Wissenschaften technologische Lösungen dafür entwickeln, wie wir unsere klimaschädlichen Emissionen schnell reduzieren können. Als wüssten wir eigentlich, was zu tun ist und wie wir es tun könnten.
Der Weg vom Wissen zum Handeln ist jedoch steiniger: Die Lücke zwischen Wissen und Handeln liegt an der Komplexität der Probleme und den Grenzen wissenschaftlichen Wissens. Es genügt deshalb nicht, wenn sich die Gesellschaft hinter die Wissenschaft stellt, sondern beide Seiten müssen gemeinsam an der Lösung der Probleme arbeiten.
Dass die Wissenschaft ein Teil der Gesellschaft ist und Forschende gemeinsam mit gesellschaftlichen Akteuren nach Problemlösungen suchen müssen, war der bestimmende Gedanke des Buches „Klimaschutz: Wissen und Handeln“, das im Oktober in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen ist und das Beiträge von IASS-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern enthält.
Die Autorinnen und Autoren gehen ebenfalls davon aus, dass die Wissenschaft uns dabei helfen muss, die Klimakrise zu bewältigen. Sie lenken aber den Blick darauf, dass häufig kein einfacher Weg vom wissenschaftlichen Wissen zum Handeln führt. Die Probleme sind so komplex, weil der Klimawandel alles andere als ein einfaches Phänomen ist. Die Beiträge des Buches beschreiben, dass das Erdklima in einem komplexen, systemischen Wechselverhältnis zu anderen Regulationssystemen unseres Planeten steht, wie den Ozeanen, den Eisschilden der Arktis oder den großen Regenwaldsystemen wie dem Amazonasregenwald. Oder dass sich Klimawandel und andere Umweltprobleme wie die Luftverschmutzung gegenseitig beeinflusse. Wo sich bereits technische Eingriffe in diese komplexen Systeme des Klimas abzeichnen, wie beim „Climate Geoengineering“, ist es extrem schwierig, die Folgen solcher Eingriffe richtig einzuschätzen.
Es diskutieren Mojib Latif, Daniela Setton und Mark Lawrence im politischen Salon der Bundeszentrale für politische Bildung, Moderation: Miriam Shabafrouz |
Nicht nur das Klima ist ein komplexes System, unsere global vernetzten Gesellschaften sind es auch. Man kann (und sollte) von der Politik keine simple, bürokratische Steuerung erwarten, die die Klimakrise einfach „löst“: Auch innerhalb starker Demokratien wird die Fähigkeit des Staates zur politischen Steuerung von unterschiedlichen Interessen und Machtverhältnissen beschränkt. Deshalb nehmen fast alle Beiträge dieses Buches einen sozialwissenschaftlichen Blick auf die Bewältigung der Klimakrise ein, was bislang häufig nur ungenügend geschehen ist. Wir sollten möglichst genau verstehen, wie Energie- und Mobilitätswende gelingen können und wie der Strukturwandel in den Kohleregionen oder wie die Digitalisierung Nachhaltigkeit befördern kann. Wann ändern die Menschen ihre Verhaltensmuster und wie können zukünftige Generationen in der Politik viel stärker berücksichtigt werden?
„Klimaschutz: Wissen und Handeln“ hilft dabei, die Komplexität der Klimakrise zu verstehen und macht gleichzeitig Mut, die Herausforderung der Transformation in eine klimaneutrale Gesellschaft anzugehen. Denn die Erkenntnis, dass wir es nicht nur einem wissenschaftlich-technischen Problem zu tun haben, sondern mit einer gesellschaftlichen Frage, bedeutet auch: Jede und Jeder kann auf ihre und seine Weise zum Klimaschutz beitragen.
Patrizia Nanz/Mark Lawrence/Ortwin Renn/Jakob Meyer (Hrsg.): Klimaschutz: Wissen und Handeln; Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung 10672, mit Illustrationen von Christian Gralingen, Bonn 2021