Solarenergie in Deutschland und China: die Ko-Evolution zweier Märkte
23.02.2015
Im letzten Bericht der Expertenkommission für Forschung und Innovation (EFI) der deutschen Bundesregierung werden das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und die damit verbundenen Kosten aus zwei zentralen Gründen kritisiert. Erstens führe der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland nicht zu einer Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen. Aufgrund der Deckelung von CO2-Emissionen durch das europäische Emissionshandelssystem ließen Emissionsminderungen im Stromsektor lediglich den Bedarf an Emissionsminderungen in anderen Sektoren sinken. Zweitens, so die Experten, lasse sich keine innovationsfördernde Wirkung des EEG nachweisen.
Interessanterweise veröffentlichten eine Reihe von Forschern, die zum Teil in dem EFI-Bericht zitiert werden, kurz darauf ein Statement, in dem sie die sehr enge Sichtweise der Expertenkommission in Bezug auf beide Fragen kritisierten. Unter anderem rügten sie den einseitigen Fokus auf Patente als Indikator für die Messung von Innovation. Obgleich Patente ein wichtiger Indikator für Innovationsleistungen seien, gehe der Begriff der Innovation weit darüber hinaus und schließe auch die Markteinführung neuer Produkte und Dienstleistungen ein. Auch Beobachter ohne Fachwissen müssten anerkennen, dass der schnelle Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland einen Boom in der Entwicklung und Einführung neuer Produkte und Dienstleistungsmodelle verursacht habe – von neuen Windturbinen-Designs bis hin zu Contracting-Lösungen und anderen innovativen Finanzierungsmodellen für erneuerbare Energien.
Ein weiterer Schwachpunkt des EFI-Berichts, der von den Forschern angesprochen wird, ist der fehlende Bezug zur globalen Dimension von Klimaschutz und Innovation. Kaum jemand wird bestreiten, dass sich Innovationsprozesse im Kontext globalisierter Wirtschafts- und Handelssysteme nicht auf geographisch begrenzte Räume beschränken können. Innovation und technischer Wandel ist vielmehr zunehmend von globalen Netzwerkstrukturen geprägt und wird vom Wissensaustausch über geographische und politische Grenzen hinweg befördert. Dies ist im Bereich der erneuerbaren Energien nicht anders, was sich insbesondere am rapiden Aufstieg Chinas in diesem Sektor zeigt.
In meinem kürzlich erschienenen Artikel “Dynamics of a policy-driven market: the co-evolution of technological innovation systems in solar photovoltaics (PV) in Germany and China” (eine Langfassung ist hier frei zugänglich) beleuchte ich die globale Dynamik von Innovation und technischem Wandel am Beispiel der Solarwirtschaft. Mit Blick auf Deutschland und China wird gezeigt, wie Entwicklungen in diesen Schlüsselländern sich wechselseitig verstärkt und so zur Entstehung eines globalen Marktes für Solarenergie beigetragen haben. Der Artikel beschreibt, wie das deutsche EEG im ersten Schritt einen Prozess der industriellen Entwicklung in China auslöste und wie diese Entwicklung wiederum den Marktausbau in Deutschland beschleunigte. Unter anderem weist der Artikel auf die zentrale Rolle chinesischer Unternehmensgründer und ihrer Partnerschaften mit internationalen Forschungseinrichtungen für die Entwicklung und Einführung von kostensenkenden Prozessinnovationen hin. Gemeinsam mit einem weitreichenden Ausbau von Produktionskapazitäten in China war dies ein Schlüssel für die weltweite Reduktion der Photovoltaik-Modulpreise und die rasante Marktentwicklung, die dies auslöste – zuerst in Deutschland und schließlich auch in China. Für 2014 wird die neu installierte Leistung von Solaranlagen in China auf über 10 GW geschätzt, während Deutschland weniger als 2 GW installierte. Die zunehmende Dynamik im Ausbau der Solarenergie in China und weltweit könnte sich bei der Verringerung von Treibhausgas-Emissionen zu einem entscheidenden Faktor entwickeln – ohne zusätzliche Kosten für den deutschen Verbraucher.
Photo: BSW-Solar/aleo