Interview: Norbert Kopytziok über den Weg zur „klimaneutralen“ Universität
26.03.2015
Deutschland hat das Ziel, bis 2020 mindestens 40 Prozent der Emissionen gegenüber 1990 zu reduzieren, bis 2050 sollen es 80 bis 95 Prozent sein. Die Kieler Universität gehört zu den Forschungseinrichtungen, die bereits ihren Beitrag dazu leisten. Norbert Kopytziok und sein Team vom klik - klima konzept 2030 unterstützen die Hochschule dabei, bis 2030 „klimaneutral“ zu werden und ihre CO2-Bilanz in den Bereichen Strom, Gebäudebetrieb und Mobilität auf Null zu bringen. Am Anfang dieses Prozesses registrierte sich die Uni bei EMAS, einem freiwilligen Instrument der Europäischen Union, das Unternehmen und Organisationen jeder Größe und Branche dabei unterstützt, ihre Umweltleistung kontinuierlich zu verbessern. Im Februar 2014 besuchte Norbert Kopytziok das IASS, um die ersten Schritte auf dem Weg zur klimaneutralen Universität darzustellen und einen Ausblick auf die nächste Etappe zu geben.
Inwiefern können öffentliche Institutionen wie Universitäten eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnehmen?
Öffentliche Einrichtungen sollten Wegbereiter sein für effiziente Systeme. Bisher sagen sie gerne anderen, wie man es machen soll, machen es aber selbst nicht. Man sollte erst mal vor der eigenen Haustür kehren. Zum Beispiel im Beschaffungswesen und beim Energieverbrauch können oftmals nachhaltigere Alternativen gewählt werden. Dadurch werden diese Institutionen auch zu einem wirtschaftlichen Machtfaktor, denn wenn sie massenhaft nachhaltige und energieeffiziente Alternativen nachfragen, werden diese auch für eine breitere Kundschaft erschwinglich.
An Universitäten lernen Studierende gleich während des Studiums, dass man auch am Arbeitsplatz etwas für Umwelt- und Klimaschutz tun kann. So sind die Energiesparempfehlungen, die unser klik-Team an die Kolleginnen und Kollegen gibt, auch für private Zwecke nutzbar. Das gilt zum Beispiel für die Wirtschaftlichkeit des Austauschs eines Kühlschranks. Des Weiteren sind bei uns Messgeräte für den Stromverbrauch ausleihbar, um sie auch zu Hause nutzen zu können. Ein Nebeneffekt der Integration von Nachhaltigkeit in verschiedenen Institutionen ist, dass dadurch das Wohlwollen, Verständnis und Interesse nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch zu Hause beflügelt werden könnte.
Wie realistisch schätzen Sie Ihr Ziel ein, dass die Uni Kiel bis 2030 „klimaneutral“ wird?
2013 lagen die energiebedingten CO2 -Emissionen der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) bei über 26.000 Tonnen. Durch Energiesparmaßnahmen konnten wir 2014 bereits eine Reduktion um acht Prozent erreichen. Wir wollen den CO2-Ausstoß Jahr für Jahr weiter senken, so dass er 2020 nur noch 5.000 Tonnen beträgt. Das wäre eine Reduktion um 80 Prozent innerhalb von sieben Jahren; und das ist durch konkrete Maßnahmen realistisch erreichbar. Unser Schwerpunkt beim Klimaschutz liegt derzeit auf dem Energieverbrauch und innerhalb dessen beim Stromverbrauch. Strategie ist dabei, erstens Geräte und Anlagen nur dann betreiben zu lassen, wenn sie wirklich gebraucht werden, zweitens die Effektivität mit technisch optimierten Anlagen zu steigern und drittens durch Veränderungen im Verhalten Energieeinsparungen umzusetzen. Wir sind uns bewusst, dass wir aufpassen müssen, keinen Rebound-Effekt zu bekommen, indem energetisch optimierte Anlagen plötzlich immer mehr genutzt werden.
Meine Erfahrung ist, dass die Kommunikation von enormer Bedeutung ist, vielleicht sogar mehr als neue, vermeintlich energieeffiziente Geräte. Es ist wichtig, Kommunikation so zu gestalten, dass die Bereitschaft zum Umweltschutz gefördert wird. An einer Hochschule haben wir das Glück, dass Kompetenzen auf verschiedensten Gebieten vorhanden sind. So unterstützen uns zum Beispiel bereits die Kommunikationswissenschaftler. Trotzdem gibt es noch enorme Möglichkeiten, die Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachbereichen auszubauen.
Mit welchen Maßnahmen konnten Sie die bisherigen Erfolge bei der Reduktion der CO2-Emissionen erzielen?
Nach der Implementierung des Umweltmanagementsystems nach EMAS haben wir ein Klimaschutzkonzept in Auftrag gegeben. Das war uns wichtig, um keinen blinden Aktionismus zu betreiben. Die Erstellung derartiger Konzepte wird durch die Klimaschutzinitiative der Bundesregierung finanziell unterstützt – ohne diese finanzielle Förderung wäre es der Universitätsleitung schwerer gefallen, das Geld für die Konzepterstellung bereitzustellen. Die Ergebnisse des Klimaschutzkonzepts haben wir dann mit dem Maßnahmenbündel aus dem EMAS-Prozess abgeglichen und die wichtigsten Maßnahmen forciert. Dazu zählen die Optimierung von Pumpensystemen und Klimaanlagen, vor allem in Serverräumen. Parallel leiteten wir eine Energiesparkampagne ein. Mit ihr wird bei besonders energieintensiven Einrichtungen mit den dort tätigen Kolleginnen und Kollegen nach Verbesserungsmöglichkeiten gesucht, die - wenn möglich - umgesetzt werden. Nicht ganz unbedeutend ist die öffentliche Präsenz. So geben wir regelmäßig Pressemitteilungen und einen Newsletter heraus, treten bei themenübergreifenden Veranstaltungen der Universität auf und organisieren selbst ein- bis zweimal im Jahr eine öffentlich wirksame Großveranstaltung, wie den Nachhaltigkeitstag oder ein Energieforum.
Als einen der ersten Schritte haben Sie EMAS an der Kieler Universität eingeführt. Wie wichtig schätzen Sie diesen Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität ein?
Der EMAS-Leitfaden, den die EG-Öko-Audit-Verordnung liefert, ist sehr wertvoll, wenn man Umweltschutz betreiben will. Ob man durch einen externen akkreditierten Umweltgutachter das System letztendlich prüfen lässt, den Eintrag bekommt und das Label nutzen darf, ist für den Klimaschutz jedoch nicht ganz so bedeutend. Wichtiger ist in dem Zusammenhang, dass man die relevanten Bereiche mit hohen Umwelt- und Klimabelastungen identifiziert, für die man verantwortlich ist.
Können Sie kurz beschreiben, wie die nächsten Schritte auf dem Weg zur Klimaneutralität aussehen werden?
Als nächstes stehen die Energieeffizienz und die Energieversorgung sowie die Mobilität im Vordergrund. An der Kieler Universität studieren und arbeiten rund 30.000 Menschen, die enorme Wegstrecken zurücklegen. Um die mit der Mobilität verbundenen Emissionen zu reduzieren, wird derzeit ein Mobilitätskonzept erarbeitet. Etwas weiter sind wir hinsichtlich einer umweltverträglichen Energieversorgung. In einer bereits fertiggestellten Machbarkeitsstudie wird uns empfohlen, zwei oder drei Kleinwindanlagen und an ausgewählten Stellen Photovoltaikanlagen zu errichten. Mit diesen Anlagen lässt sich allerdings die Universität nicht entscheidend mit Energie versorgen; diese Anlagen haben eher symbolischen Wert. Entscheidender wird der Bau einer 2-Megawatt-Blockheizkraftwerk-Anlage sein. Noch auf dem Niveau einer Ideenskizze befindet sich eine energetische Optimierung von Gebäudeausstattungen, im Zusammenhang mit der Modernisierung und ökologischen Sanierung von Einrichtungen, die in naher Zukunft anstehen.
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