Die internationale Kohlefinanzierung der G20-Staaten ist verantwortungslos
27.06.2019
Die G20-Länder, die am 27. und 28. Juni in Osaka, Japan, zusammenkommen, emittieren etwa 80 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Damit kommt ihnen eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens zu. Doch sie stellen nicht nur die Weichen für eine klimafreundliche Energieversorgung im eigenen Land, sondern auch in einer Vielzahl von Partnerländern. Denn zur G20 gehören die mit Abstand wichtigsten Geberländer der bilateralen energiepolitischen Entwicklungszusammenarbeit: China, Deutschland, Frankreich, Japan und die USA. Dass sie über die Entwicklungs- und Exportfinanzierung weiterhin Investitionen in Kohlekraftwerke unterstützen, ist verheerend.
Seit 2013 finanzierten die G20-Länder Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von über 50 GW. Auch die deutsche KfW-Förderbank unterstützte Kraftwerke in Indien und Griechenland. Im Jahr 2017 gingen noch etwa 44 Prozent der deutschen Exportgarantien im Energiebereich an fossile Kraftwerke; 10 Prozent wurden zur Unterstützung von Kohleprojekten vergeben. Am meisten Geld nahm allerdings die chinesische Regierung in die Hand. Während die chinesische Zentralregierung zunehmend Abstand von der Kohleverstromung im eigenen Land nimmt, unterstützt sie weiterhin im Ausland Investitionen der chinesischen Kohleindustrie. Seit 2013 finanzierte sie Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von über 26 GW über staatliche Förderbanken wie die China Development Bank. In insgesamt 18 Ländern in Asien, Afrika, Europa und Südamerika befinden sich weitere 23 GW in der Planung. Das ist mehr als doppelt so viel wie die anderen G20-Länder gemeinsam in der Planung haben.
Aber auch Japan, diesjähriger Gastgeber des G20-Gipfels, plant weiterhin die Finanzierung neuer Kohlekraftwerke, unter anderem in Vietnam und Indonesien. Das Land steht damit im Verdacht, die 2015 verabschiedeten OECD-Richtlinien zur Exportfinanzierung im Energiesektor zu verletzen. Diese sehen vor, dass Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von über 500 MW zumindest mit der hocheffizienten, ultra-superkritischen Kesseltechnik ausgestattet sein müssen. Damit kann der CO2 Ausstoß um etwa 10 bis 20 Prozent gesenkt werden. Auch das scheint aber in einzelnen Projekten nicht der Fall zu sein. Die G20-Mitglieder Italien, Russland, Südafrika und die USA, wenn auch in weit geringerem Umfang, unterstützen ebenfalls weiterhin Kohlekraftwerke über öffentliche Exportfinanzierung. Im Kosovo beispielsweise übernimmt voraussichtlich die US-amerikanische Overseas Private Investment Corporation (OPIC) die Unterstützung eines Kohlekraftwerks. Die Weltbank, die seit 2013 Kohlekraftwerke nur noch in Ausnahmefällen finanziert, hatte im Jahr 2018 die Kreditvergabe für das Projekt wegen seiner hohen Kosten abgelehnt.
Die Unterstützung neuer Kohlekraftwerke hat nicht nur langfristige Folgen für den globalen Klimaschutz. Sie geht auch mit wichtigen wirtschaftlichen Risiken für die Empfängerländer einher. Während führende Versicherungsunternehmen, wie die Allianz oder AXA, zum Schutz ihrer Kunden bereits den Rückzug aus dem Kohlesektor angekündigt haben, werden die Volkswirtschaften armer Länder wie Bangladesch, Zimbabwe oder Montenegro mit Schulden für den Bau neuer Kohlekraftwerke belastet. Mit Laufzeiten von 40 Jahren und mehr ist klar, dass diese Kraftwerke mit den Zielen des internationalen Klimaschutzes unvereinbar sind. Das Risiko sogenannter gestrandeter Vermögenswerte ist also groß. Aufgrund stark gesunkener Kosten für Solar- und Windkraftanlagen bestehen zudem attraktive Alternativen für den Ausbau der Stromversorgung auf der Basis erneuerbarer Quellen.
Die japanische Regierung hat zwei zentrale globale Umweltherausforderungen auf die Agenda des G20-Gipfels in Osaka gesetzt: die Verschmutzung der Meere mit Plastikmüll und den Klimawandel. In einem Ministertreffen zu Energie- und globalen Umweltfragen in Karuizawa wurden diese Themen im Vorfeld des Gipfels bereits diskutiert. Wie bei vergangenen Energieministertreffen, haben sich die G20 für eine Transformation des globalen Energiesystems sowie einen Abbau von Subventionen für fossile Energieträger ausgesprochen. Wie andere Formen der Subventionierung senkt auch die öffentliche Exportfinanzierung die Finanzierungskosten fossiler Energieerzeugung, wenn sie weiterhin dafür eingesetzt werden.
Es ist daher zynisch, wenn Länder der G20, allen voran China, weiterhin im großen Stil neue Kohlekraft durch günstige Kredite ermöglichen. Die G20 müssen anerkennen, dass die öffentliche Finanzierung -neuer Kohlekraftwerke nicht nur die selbst formulierten Ziele sondern auch das Einpreisen von Klimarisiken durch private Finanzierungseinrichtungen untergräbt. Die G20 sollte daher dem Beispiel der OECD folgen und die bestehende Richtlinie zur Exportfinanzierung im Energiesektor übernehmen. Dies würde auch Forderungen der USA entsprechen, die bereits 2012 mit China eine internationale Arbeitsgruppe zur Angleichung internationaler Praktiken der Exportfinanzierung ins Leben rief.
Allerding kann dies nur der erste Schritt sein. Um das Klima wirksam zu schützen, müssen OECD und G20 den kompletten Ausstieg aus der Kohlefinanzierung vereinbaren. Dazu gehört auch, dass die G20 sämtliche multilaterale Entwicklungsbanken auffordert, ihre Strategien so anzupassen, dass neue Investitionen in Kohlekraftwerke unterbleiben. Kurzfristig sind Fortschritte dieser Art mit der Trump-Administration wohl schwer zu erreichen. Sollte es in den USA im Jahr 2021 zu einem Regierungswechsel kommen, müssen diese Schritte allerdings gut vorbereitet sein. Die bilateralen Energiepartnerschaften, in denen Deutschland mit einer Reihe von G20 Ländern einen regelmäßigen Austausch zu energiepolitischen Fragen pflegt, können hier eine wichtige Rolle spielen. Genauso wichtig ist, dass Deutschland mit einem zügigen Ausstieg aus der Kohle ein klares Signal setzt. Damit leistet Deutschland nicht nur seinen eigenen Beitrag zur Reduzierung globaler CO2 Emissionen. Es schafft auch Glaubwürdigkeit gegenüber China und den sonstigen G20 Ländern.