Globale Energiewende in der G20
25.06.2019
Als Zusammenschluss der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, spielt die Gruppe der Zwanzig (G20) eine zentrale Rolle für die globale nachhaltige Energiewende. Ihre Mitglieder verursachen annähernd 80 Prozent des weltweiten Energiebedarfs und über 80 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Sie vereint zentrale Akteure auf internationalen Energiemärkten und in internationalen Institutionen sowie große Geberländer im Energiebereich. Laut der International Renewable Energy Agency (IRENA) hätten die G20-Staaten bei einer konsequenten Umsetzung der globalen Energiewende das Potential, den Anteil erneuerbarer Energieträger bis 2030 auf 44 Prozent zu steigern.
Doch eine erfolgreiche Abkehr von fossilen Energieträgern bleibt unter den G20-Mitgliedern bisher aus – nicht nur in den USA, die von den Zielen des Pariser Klimaabkommens Abstand genommen haben. Die Primärenergie der G20-Staaten besteht auch heute noch zu 82 Prozent aus fossiler Energie. Die aktuelle japanische G20 Präsidentschaft unternimmt nun wieder einen Versuch, das Thema nachhaltige Energietransformation in der G20 zu stärken.
Gemischte Bilanz für die Energieagenda der G20
Bereits seit 2014 befasst sich die G20 in ihrem „Sherpa-Track“ mit Klima- und Energiepolitik. Sie verabschiedete in diesem Jahr unter der Präsidentschaft Australiens einen ersten Aktionsplan zur Energieeffizienz. 2015 folgte unter der türkischen Präsidentschaft eine Handreichung zur Anwendung von erneuerbaren Energieträgern. Seitdem entstanden weitere Pläne, um Klimaschutz und nachhaltige Energie voranzutreiben.
Die Fortschritte der G20 bei der Transformation von Energiesystemen und der Bekämpfung des Klimawandels bleiben weit hinter dem Potenzial zurück, welches ihr die IRENA attestiert. Der Erfolg der G20 bemisst sich allerdings nicht nur an der Umsetzung konkreter Maßnahmen. Verabschiedete Aktionspläne und Ziele sind ohnehin freiwilliger Natur.
Nicht zu vernachlässigen ist jedoch die Rolle der G20 als „Agenda-Setter“. Mit einem Bekenntnis zu Klimaschutz und einer globalen Energiewende sendet sie auch wichtige Signale für Weichenstellungen in nicht-G20 Staaten, internationalen Institutionen und Märkten.
Der angekündigte Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen hat die Energieagenda der G20 deutlich geschwächt. Gemeinsame Bekenntnisse zum Klimaschutz sind unmöglich geworden. Und so nahmen fossile Energieträger in den Gipfeldokumenten der argentinischen Präsidentschaft 2018 zuletzt eine prominente Stellung in den Passagen zur Energiepolitik ein. Dennoch gibt es, so zeigt das Beispiel der aktuellen japanischen G20 Präsidentschaft weiterhin Möglichkeiten für die G20, wichtige Impulse für die globale Dekarbonisierungsagenda zu setzen.
Auswahl zentraler Dokumente der G20 Klima- und Energie-Agenda
Jahr | Präsidentschaft | Dokument |
---|---|---|
2019 | Japan | G20 Karuizawa Innovation Action Plan on Energy Transitions and Global Environment for Sustainable Growth |
2017 | Deutschland | G20 Hamburg Climate and Energy Action Plan for Growth |
2016 | China | G20 Energy Efficiency Leading Programme |
2016 | China | Enhancing Energy Access in Asia and the Pacific: Key Challenges and G20 Voluntary Collaboration Action Plan |
2016 | China | G20 Voluntary Action Plan on Renewable Energy |
2015 | Türkei | G20 Energy Access Action Plan: Voluntary Collaboration on Energy Access |
2015 | Türkei | G20 Toolkit of Voluntary Options for Renewable Energy Deployment |
2014 | Australien | G20 Principles on Energy Collaboration |
2014 | Australien | G20 Energy Efficiency Action Plan |
Klimaschutz und nachhaltige Energie in der japanischen G20 Präsidentschaft
Ende Juni findet der diesjährige G20-Gipfel in Osaka statt. Japans eigenes Engagement im Kampf gegen den Klimawandel ist bisher zurückhaltend. Energiepolitisch fokussiert sich die Regierung von Premierminister Shinzō Abe auf Nuklear- und Kohleenergie. Die Regierung setzt jedoch seit Jahren auf Wasserstoff als Energieträger der Zukunft. Sie verfolgt das Ziel, die japanische Gesellschaft möglichst vollständig auf Wasserstoff umzustellen. Besonders im Transportsektor fördert die japanische Industrie wasserstoffbasierte Brennstoffzellen als Antrieb.
Tandem aus Dekarbonisierung und wirtschaftlichem Profit
Trotz des bisher mäßigen Engagements für den Klimaschutz, positioniert sich die japanische G20-Präsidentschaft deutlich zum Klimaschutz und dem Ausbau erneuerbarer Energie. „Wir müssen weiter und immer weiter zu bahnbrechenden Erfindungen anregen, bevor es zu spät ist, um den Klimawandel zu bekämpfen“, sagte Premierminister Abe auf dem Weltwirtschafts-Forum in Davos. Investitionen in eine „grüne Erde und einen blauen Ozean“ würden das Wirtschaftswachstum ankurbeln: „Dekarbonisierung und wirtschaftlicher Profit funktionieren im Tandem. Wir Politiker müssen für die Umsetzung verantwortlich gemacht werden“, so Abe.
Neue Chancen für die G20 Energieagenda?
Um ihr Engagement zu bekräftigen, organisierte die japanische Präsidentschaft am 15. und 16. Juni erstmalig ein Treffen von G20 Klima- und Energieministerinnen und -ministern zu „Energy Transition and Global Environment for Sustainable Growth“. Das Abschlussdokument des Treffens enthält ein Bekenntnis der G20 Mitglieder zur verstärkten Zusammenarbeit in den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien mit besonderem Augenmerk auf das Potenzial von Energieinnovationen.
Allerdings trägt das Dokument deutlich die Handschrift der Trump Administration, die fossile Energie als zentrales Element der künftigen globalen Energieversorgung sieht. „Sauberere“ fossile Energietechnologien seien demnach ein wichtiger Baustein für Energietransformationen weltweit.
Neuer energiepolitischer Aktionsplan von Japan
Mit dem „G20 Karuizawa Innovation Action Plan on Energy Transitions and Global Environment for Sustainable Growth“ hat die japanische Präsidentschaft einen neuen energiepolitischen Aktionsplan vorgelegt. Er unterstreicht das bislang nicht ausgeschöpfte Potenzial von internationalem Austausch und Kooperation für die Weiterentwicklung von Energietechnologien wie sauberen Fahrzeugen, energieeffizienter Gebäude und Speichern.
Einen besonderen Fokus legt die japanische Präsidentschaft in ihrer Präsidentschaft auf die Rolle von Wasserstoff als Träger einer sauberen Energiezukunft.
Bei der Internationalen Energieagentur (IEA) gab sie eigens einen Bericht zur Zukunft von Wasserstoff in Auftrag. Die IEA warnt darin, dass Wasserstoff noch fast ausschließlich mit Hilfe fossiler Energieträger gewonnen wird und damit eine signifikante Quelle von CO2-Emissionen darstellt. Um sein Potenzial als „grüne“ Energie zu nutzen sei es daher wichtig, schnell auf die großflächige Produktion von Wasserstoff aus erneuerbarem Strom umzustellen.
Die Dekarbonisierung von Wirtschaftssystemen könnte damit auf Bereiche ausgeweitet werden, in denen die globale – auch die deutsche - Energiewende stockt. Mit Japan hat damit ein führender Akteur der Wasserstoffpolitik „Power to X“ sowie die verstärkte Zusammenarbeit bei Energieinnovationen auf der Agenda für eine saubere Energiezukunft platziert.
Implikationen und Chancen für Deutschland
Bereits 2017 hatte sich unter der deutschen G20 Präsidentschaft gezeigt, dass es starke Differenzen mit der US-Regierung zum Thema Dekarbonisierung des Stromsystems gibt. Die USA distanzierten sich vom „G20 Hamburg Climate and Energy Action Plan for Growth“, auch aus mangelndem Interesse an der Abkehr von der heimischen Kohleproduktion. Die globale nachhaltige Energiewende erfordert jedoch weit mehr als eine Umstellung des Stromsektors. Daher stellt die Weiterentwicklung der G20 Energieagenda im Hinblick auf die Zusammenarbeit in Bereichen wie nachhaltige Mobilität, Industrie und Gebäude auch für Deutschland eine Chance dar.
Gipfeltreffen in Osaka wichtige Chance für globale Energiewende
Deutschland obliegt es nun, gemeinsam mit anderen Energiewendevorreitern wie Frankreich oder China angesichts des Gegenwinds aus den USA, Klimaschutz und nachhaltige Energie weiterhin auf die G20 Agenda zu setzen sowie neue Konsensthemen in diesem Bereich für alle Mitglieder zu entwickeln. Dabei ist es für die Entwicklung auf globalen Energie- und Finanzmärkten wichtig, offen zu kommunizieren, dass die Trump Regierung sich mit ihrer Position zu Klimaschutz und nachhaltiger Energie isoliert.
Das Gipfeltreffen in Osaka am 28./29. Juni stellt in diesem Zusammenhang wieder eine wichtige Chance für die globale Energiewende dar.