Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Bürgerräte in Berlin: Ideen für mehr Lebensqualität

22.01.2020

Daniel Oppold

Daniel Oppold

daniel [dot] oppold [at] rifs-potsdam [dot] de
Am 16. Januar wurde im Rathaus Schöneberg das Pilotprojekt Bürgerbeteiligung vorgestellt.
Am 16. Januar wurde im Rathaus Schöneberg das Pilotprojekt Bürgerbeteiligung vorgestellt.

Der Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg hat sich auf den Weg gemacht, im Rahmen eines landesfinanzierten „Pilotprojektes Bürgerbeteiligung“ eine neue Form der Partizipation zu erproben: sogenannte „Bürger_innenräte nach dem Vorarlberger Modell“. Zwischen August 2019 und März 2020 tagt derzeit in allen sieben Stadtteilen des Bezirks solch ein Bürger_innenrat zur Fragestellung, wie der jeweilige Stadtteil „lebenswert erhalten und die Zukunft gemeinsam gestaltet werden kann“. Zur Mitarbeit aufgefordert sind dazu in jedem Stadtteil 12-15 per Zufall ausgewählte Bürgerinnen und Bürger, die von der Bezirksbürgermeisterin eingeladen werden, sich mit dieser Fragestellung auseinanderzusetzen und Empfehlungen für Politik und Verwaltung zu erarbeiten.

Dabei ist der Bürger_innenrat eingebettet in einen ausgeklügelten Gesamtprozess, so dass die gemeinsamen Empfehlungen der Zufallsbürger gehört werden und Wirkung entfalten können: In der 1,5-tägigen Klausur des Bürger_innenrates sammeln die Teilnehmenden Herausforderungen, Lösungsvorschläge, Bedenken und wichtige Sichtweisen. Diese werden von den Teilnehmenden strukturiert und als „Empfehlungen und Kernbotschaften“ zusammengefasst.

Der nächste Schritt im Prozess ist dann die Vorstellung und Übergabe der Ergebnisse an die Auftraggeberin im Rahmen eines öffentlichen „Bürgercafés“, zu dem alle Interessierten sowie Pressevertreter eingeladen sind. Anschließend befasst sich eine „Resonanzgruppe“ aus der Bezirksverwaltung mit den Empfehlungen. Das Bezirksamtsgremium und die Bezirksverordnetenversammlung entscheiden abschließend, welche Empfehlungen aufgegriffen werden können, und informieren transparent darüber: Die Teilnehmenden des Bürgerrates erhalten eine öffentliche Rückmeldung, in der sie detailliert über den Verbleib ihrer Empfehlungen informiert werden.

Bürgerbeteiligung in Berlin

Bürger_innenräte ermöglichen es ganz normalen Bürgern, als „Experten für ihren Kiez“ politische Entscheidungsfindungsprozesse und die Arbeit der Verwaltung durch ihre Perspektive inhaltlich zu bereichern. Kalkül ist es dabei, dass durch die Zufallsauswahl gezielt nicht die „üblichen Verdächtigen“ zu Wort kommen, sondern Menschen, die keine (oder nicht in erster Linie) organisierte Interessen vertreten oder eine politische Agenda verfolgen. Für die Zufallsauswahl wird hierzu aus dem Melderegister eine Stichprobe gezogen, die zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern besteht und auch alle Altersgruppen zu gleichen Teilen berücksichtigt. Es soll also eine vielschichtige Gruppe rekrutiert werden, um so möglichst unterschiedliche Sichtweisen zur Fragestellung des Bürger_innenrates vertreten zu haben – was eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von Empfehlungen ist, die eine echte Bereicherung für die Auftraggebenden aus Politik und Verwaltung sind.
Durch den durchdachten Ablauf und professionelle Begleitung durch die Moderierenden will der Bürger-innenrat dazu beitragen, dass aus „Was ich schon immer mal sagen wollte…“ im Laufe der Bürgerratsklausur (und darüber hinaus) ein „Was wir gemeinsam wollen und erreichen können!“ wird.

Bürger_innenräte werden in dieser Form im österreichischen Bundesland Vorarlberg bereits seit 2006 erfolgreich eingesetzt. Das IASS unterstützt den Bezirk Tempelhof-Schöneberg beim Wissens- und Erfahrungstransfer aus der Alpenrepublik und bei der notwendigen Anpassung und längerfristigen Verankerung des Verfahrens.

Alle Informationen zu den Bürger_innenräten in Tempelhof-Schöneberg finden sich unter:
https://www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/politik-und-verwaltung/g…

 

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