Der Verkehr – das Sorgenkind der Klimapolitik in der Corona-Krise
26.05.2020
Der Verkehr ist das Sorgenkind der Klimapolitik (siehe Haas & Richter 2020, Der Verkehr. Das Sorgenkind der Klimapolitik, in: POLITIKUM 2, 46-53). Während alle anderen Sektoren seit 1990 deutliche Emissionsreduktionen vorweisen können, sind die verkehrsbedingten Emissionen zwischen 1990 und 2018 sogar um 3,7 Prozent angestiegen.
Die wesentlichen Gründe hierfür sind, dass das Automobil im Personenverkehr nach wie vor das zentrale Verkehrsmittel ist und diese immer schwerer und höher motorisiert sind. So wurden Effizienzfortschritte mittels Rebound-Effekten kompensiert. Der vorherrschende Ansatz der Verkehrspolitik, um die Klimabilanz zu verbessern, ist die Elektrifizierung des Automobils. Dies bildet sich auch im Klimapaket von 2019 ab. Die Fokussierung auf das E-Auto greift jedoch viel zu kurz und kann bestenfalls eine ökologische Modernisierung im Verkehrssektor vorantreiben. Die Maßnahmen für eine echte Verkehrswende sind nach wie vor zu zaghaft. Doch welche neuen Impulse bringt die Corona-Pandemie für die Zukunft des Personenverkehrs?
Zunächst zeigt sich, dass es in einigen Städten in Deutschland - allen voran in Berlin - und darüber hinaus Initiativen gibt, den öffentlichen Raum umzuverteilen. Bisher für den Autoverkehr reservierte Flächen werden zu Radwegen umfunktioniert, damit Radfahrerinnen und Radfahrer die Abstandsgebote, die im Zusammenhang der Corona-Pandemie verhängt wurden, besser einhalten können. Da Verkehrsinfrastrukturen zumeist auch entsprechenden Verkehr induzieren, ist davon auszugehen, dass die Umwidmung der Flächen dauerhaft zu einer Erhöhung des aktiven Verkehrs beitragen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die neu eingerichteten Radwege bestand haben und weiter ausgebaut werden. Damit wird nicht nur die Klimabilanz gesteigert, sondern die Lebensqualität in den Städten wesentlich erhöht.
Während endlich die Aufwertung des Aktivverkehrs voranschreitet, leidet das zweite wesentliche Standbein einer Verkehrswende massiv – der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Die Fahrgastzahlen sind im Zuge der Pandemie eingebrochen. Während einige vormalige ÖPNV-Nutzer*innen auf aktiven Verkehr umgestiegen sind, ist für einige auch das Auto wieder bedeutender geworden. Es besteht die Gefahr, dass das Auto für einige zukünftig attraktiver wird; zumal noch nicht abzusehen ist, wann die Corona-Pandemie - und damit die Gefahr der Ansteckung im ÖPNV - überwunden sein wird. Für den ÖPNV braucht es jetzt dringender denn je Konzepte, um ihn zu stärken. Dies nicht nur aus gesundheits- und umweltrelevanten Gründen, sondern auch mit Blick auf die Relevanz von Bus und Bahn für die öffentliche Daseinsvorsorge in einer hochmobilen Gesellschaft.
Corona-Pandemie kann Verkehrswende anschieben
Die Corona-Pandemie setzt ambivalente Impulse für eine Verkehrswende. Gleichwohl gilt es die Anstrengungen zu intensivieren, die nicht nur einen Wechsel des Antriebsstrangs von Automobilen beinhaltet. Denn erste Studien deuten darauf hin, dass die Sterblichkeitsraten in Regionen mit massiver Luftverschmutzung tendenziell höher sind, als in Regionen mit geringer Luftbelastung. Eine schnelle und dauerhafte Minderung der Luftbelastung in den Städten kann nur gelingen, wenn der Autoverkehr zurückgedrängt wird und dabei die Investitionen in beides, den aktiven und den öffentlichen Verkehr, deutlich erhöht werden. So kann der Weg aus der Corona-Krise zugleich ein Einstieg in eine Verkehrswende sein, die die Umweltbilanz des Verkehrs verbessert und die Lebensqualität in den Städten deutlich erhöht.