Zeitenwende für den internationalen Klimaschutz? Über Chancen und Herausforderungen der Biden-Präsidentschaft
09.01.2021
Am 20. Januar tritt Joseph Biden sein Amt als 46. Präsident der USA an. Dies weckt große Hoffnungen für die internationalen Klimaschutzbemühungen. Doch die jüngsten Unruhen in Washington haben nochmals verdeutlicht: Biden übernimmt die Führung eines tief gespaltenen Landes – der Klimaschutz ist da keine Ausnahme. Während 87 Prozent der Demokratinnen und Demokraten den Klimawandel als wichtige Bedrohung wahrnehmen, ist dies nur bei 31 Prozent der Republikanerinnen und Republikaner der Fall. Unter den republikanischen Kongressabgeordneten sitzen auch im neuen Kongress etwa 130 Klimawandelleugner. Wie sehen Bidens klimapolitische Ambitionen aus und kann er sie angesichts dieser Herausforderungen umsetzen?
Trump hinterlässt ein schwieriges Erbe
Als Donald Trump 2017 Präsident der Vereinigten Staaten wurde, verursachte dies nicht nur bei Klimaaktivistinnen und -aktivisten ein mulmiges Gefühl. Denn Trump wollte, so viel war klar, keine aktive Klimapolitik betreiben. Seine Bilanz im Klimaschutz ist nun, wie befürchtet, lausig.
Rückzug aus der Klimapolitik und Boom der fossilen Energieträger
Trump setzte den Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen und der internationalen Klimafinanzierung durch. Die einst mächtige US-Umweltbehörde schwächte er deutlich. Die New York Times zählt 72 Verordnungen im Umweltbereich, die die Trump-Administration strich. Darunter viele klimarelevante, wie die Begrenzung von CO2-Emissionen für Kohle- und Gaskraftwerke und Fahrzeuge sowie Methanemissionen in der Öl- und Gasproduktion. Nichts ist geblieben vom Klimaaktionsplan der Obama-Präsidentschaft.
Öl- und Gasproduzenten stehen zum Ende der Amtszeit Trumps mit gelockerten Umweltstandards und stark gestiegener Produktion stärker da als eh und je. Die Regierung unterstützte die Öl- und Gasindustrie durch die Öffnung von Amerikas Naturschutzgebieten für die Rohstoffgewinnung. Schutzgebiete in öffentlicher Hand spielen eine wichtige Rolle für den Klimaschutz, denn in den USA werden auf diesen Gebieten fossile Rohstoffe gefördert, die ein Viertel aller US-Emissionen verursachen. Allein seit Beginn der Covid-19 Pandemie versprach die US-Regierung der fossilen Energieindustrie mehr als 72 Milliarden US-Dollar an öffentlichen Geldern. Aus dem Ausland kommt eine starke Nachfrage nach Erdöl und -gas – der Export hat entsprechend zugenommen.
Bidens Pläne - die USA als „Clean Energy Superpower“
Biden möchte mit seinem Plan einer sauberen Energierevolution („Clean Energy Revolution“) eine Kehrtwende in der Klima-und Energiepolitik vollziehen. Die USA sollen, so Bidens Vision, eine Supermacht der sauberen Energie werden.
Klimapolitik national: USA sollen zum Vorreiter werden
Bis 2050 soll die amerikanische Wirtschaft klimaneutral sein. Die Stromversorgung soll bereits 2035 CO2-frei sein. Dabei helfen sollen Maßnahmen wie ein bundesweiter Standard für Energieeffizienz und saubere Energie im Stromsektor sowie Fahrzeugstandards, die nur noch den Verkauf von Elektrofahrzeugen bei Neuwagen erlauben. Offen zeigt sich Biden in seinen Plänen für die Klimapolitik zudem für einen bundesweiten CO2-Preis. Eine Schlüsselrolle spielt in seiner Strategie der Ausbau der Forschung zu Energietechnologien. Bei seinen Maßnahmen soll der Kongress eingebunden werden.
Bidens ehrgeizige Pläne im Klimaschutz spiegeln sich in seinen Nominierungen für Kabinettsposten wider. Er setzt auf Personal, welches Erfolge bei der überparteilichen Zusammenarbeit vorweisen kann. Energieministerin soll Jennifer Granholm werden. Die ehemalige Gouverneurin Michigans hatte trotz vieler Widerstände während ihrer Amtszeit im Auto- und Industriestaat Michigan umfassende Maßnahmen für die Förderung von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz durchgesetzt. Designierte Innenministerin ist Deb Haaland. Sie soll die Trump-Politik von Rohstoffgewinnung in Naturschutzgebieten beenden. Haaland wäre die erste indianischstämmige Ministerin in den Vereinigten Staaten. Eines ihrer Ziele ist es, die Zerstörung von Naturschutzgebieten zu stoppen, die heilige Stätten für Amerikas Ureinwohner sind. Sie hat sich bereits in ihrer Zeit als Kongressabgeordnete stark für Umweltgerechtigkeit sowie Klimaschutz eingesetzt.
Pete Buttigieg, Bidens Kandidat für das Verkehrsministerium, hat in seiner vormaligen Rolle als Bürgermeister von South Bend einen Klimaaktionsplan verabschiedet, um die Stadt bis 2050 klimaneutral zu machen. Im konservativen, emissionsreichen Staat Indiana sticht diese ambitionierte Klimapolitik besonders hervor. Mit John Kerry hat Biden schließlich einen ausgewiesenen Experten der Klimadiplomatie als Sonderbeauftragten für globale Klimaschutzfragen in den Nationalen Sicherheitsrat nominiert. Klimapolitik, so die Botschaft, hat eine wichtige internationale Dimension.
Klimapolitik international: Die USA sollen die Führung übernehmen
Biden will erneut dem Pariser Klimaabkommen beitreten und Beiträge für den Green Climate Fund zahlen. Noch vor Ende April plant er einen internationalen Klimagipfel einzuberufen, um andere Länder mit hohen Emissionen im Vorfeld der nächsten UN-Klimakonferenz zu größeren nationalen Ambitionen anzuregen.
Handelsabkommen will er nur mit Ländern unterzeichnen, die ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen vorweisen. Während des Wahlkampfs hatte Biden bereits die Möglichkeit eines sogenannten Border Carbon Adjustment Mechanism (CBAM) angesprochen: das heißt, eine Grenzabgabe für importierte Produkte aus Ländern mit wenig Klimaschutzmaßnahmen. Ein besonderes Augenmerk gilt hier China. Abkommen mit dem Land will Biden nur dann unterzeichnen, wenn es die Exportsubventionen für Kohle einstellt und nachweislich strenge Klimastandards bei Investitionen in seine „Belt and Road Initiative“ einhält. Durch die Bereitstellung von Entwicklungsfinanzierung für saubere Energietechnologien will Biden Entwicklungsländern eine Alternative zu China bieten.
Erfolgschancen des neuen US-Klimaplans
Die politische Ausgangslage für Biden hat sich mit der Senatswahl im Bundesstaat Georgia nochmal deutlich verbessert. Neben ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus stellt die Demokratische Partei nun die Hälfte der Mitglieder im US-Senat. Sollte es zu einem Patt der Stimmen bei Gesetzesvorhaben im Senat kommen, entscheidet US-Vizepräsidentin Kamala Harris als Präsidentin des Senats.
Gesetzesvorhaben beim umstrittenen Thema Klimaschutz werden es jedoch trotzdem schwer haben. Zum einen stehen auch die demokratischen Senatorinnen und Senatoren oftmals nicht geschlossen hinter Klimaschutzvorhaben. Zum anderen reicht eine einfache Mehrheit im Senat meist nicht aus, um ein Gesetz zur Abstimmung zu stellen. Hierfür wird eine breitere Mehrheit von 60 Stimmen nötig. Der Präsident wird also trotzdem auf Stimmen der republikanischen Partei im Senat angewiesen sein. Diese könnte beispielsweise mit Hilfe des 2019 gegründeten Climate Solutions Caucus, eines parteiübergreifenden Ausschusses für den Klimaschutz, organisiert werden. Denn auch unter den republikanischen Kongressmitgliedern verbreitet sich langsam die Erkenntnis, dass ihnen Stimmen der jungen Generation verloren gehen, wenn sie den Klimaschutz blockieren. Denkbar ist ein Klimagesetz nun also grundsätzlich.
Bereits die Obama-Administration hatte zudem gezeigt, dass der Präsident auch ohne den Kongress klimapolitisch handlungsfähig sein kann. Durch exekutive Maßnahmen kann er beispielsweise Treibhausgasemissionen von Fahrzeugen oder in der Öl- und Gasproduktion begrenzen. Eine andere Möglichkeit wäre die Handelspolitik. Die Trump-Regierung benutzte den „Trade Expansion Act of 1962“ um einen Handelskrieg mit China zu entfachen. Dieses Gesetz gibt dem Präsidenten die Macht, Zölle einzuführen, wenn die Handelsbeziehungen ein nationales Sicherheitsrisiko darstellen. Klimawandel, so hat Biden schon argumentiert, ist ein Sicherheitsrisiko. Biden könnte also dieselben Mechanismen nutzen, um eine CO2-Grenzabgabe, das sogenannte Carbon Border Adjustment (CBAM), zu konzipieren.
Möglichkeiten und Ideen für die transatlantischen Klimabeziehungen
Die Biden-Präsidentschaft ist die Chance für einen Neustart. Politikerinnen und Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks haben bereits Gesprächsbereitschaft bekundet. An möglichen Themen für die klimapolitische Zusammenarbeit mangelt es nicht.
Transatlantischer Klima- und Energiedialog
Die Bundesregierung unterhält verschiedene Energiedialoge mit Industrieländern, deren Ziel es ist, die Energiewende voranzutreiben. Der Dialog mit den USA beschränkt sich bislang auf die Kooperation mit US-Staaten wie Kalifornien. Die Biden-Präsidentschaft bietet nun die Gelegenheit, diesen Dialog auf die Bundesebene auszuweiten, ihn explizit auch zum Klimadialog zu erklären und neben dem Energieministerium auch andere Ministerien wie das Außen-, Umwelt- und Verkehrsministerium einzubeziehen. Beide Seiten könnten stark vom Austausch zu gemeinsamen Herausforderungen wie nachhaltige Mobilität, grünem Wasserstoff, Kohleausstieg und Strukturwandel sowie CO2-Bepreisung profitieren. Der Dialog könnte auch ein Motor für von Biden angestrebte Forschungskooperationen zu nachhaltigen Energietechnologien werden.
Klimaschutz und Energiewende gemeinsam in internationalen Foren vorantreiben
Ein solcher Klima- und Energiedialog könnte auch dafür genutzt werden, gemeinsames Engagement in internationalen Foren wie der G20, der G7, dem Clean Energy Ministerial oder der International Solar Alliance abzustimmen. Fortschritt in diesen klimapolitisch wichtigen Foren kann schließlich auch als wichtiger Schrittmacher für die UN-Klimakonferenzen und internationale Klimaschutzmaßnahmen dienen.
Partnerschaft beim Engagement in Entwicklungsländern
Ein unter den transatlantischen Partnern abgestimmtes Vorgehen bietet sich auch in der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern an. Biden will auf verschiedene Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit setzen, um den Aufbau nachhaltiger Energiesysteme in Partnerländern zu fördern. Dies hat geostrategische, aber auch klimapolitische Hintergründe: Er möchte damit verhindern, dass China in seinen Partnerländern fossile Energiesysteme fördert. Dieses Interesse teilen Biden und die EU. Die USA sind hier durchaus auf die Unterstützung der EU als starken Partner angewiesen, um China deutlich zu machen, dass es sein Engagement im Ausland klimagerecht gestalten muss. Nur so können die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden.
Border Carbon Adjustment Mechanism als transatlantisches Thema etablieren
Der Border Carbon Adjustment Mechanism (CBAM) wird in den nächsten Jahren in der EU. wahrscheinlich als Teil des European Green Deals kommen, und EU-Politikerinnen und -politiker haben CBAM schon als Möglichkeit für transatlantische Kooperation vorgeschlagen. Auch Bidens Klimaplan sieht eine Grenzabgabe für CO2-intensive Güter vor. Noch während Obamas Präsidentschaft sind solche Maßnahmen im Kongress zwar trotz einer demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhause gescheitert. Aber eine koordinierte transatlantische CBAM-Strategie könnte eine Antwort sein auf die Kritik des Kongresses an Protektionismus und unilateralen Klimaschutzverpflichtungen der USA. Es wäre zudem auch ein wichtiges internationales Signal, dass die USA und die EU wieder bereit sind, den Klimaschutz gemeinsam voranzutreiben.
Fazit
Die Biden-Administration steht vor einem Scherbenhaufen in der Klima- und Energiepolitik und einer extrem gespaltenen Bevölkerung. Auf der internationalen Bühne können wir trotzdem mit neuem klimapolitischen Schwung rechnen. Die Biden-Administration wird zurück ins Pariser Klimaabkommen streben und nachhaltige Energie in Entwicklungsländern fördern. Für Deutschland und die EU könnten sich viele Möglichkeiten der Kooperation eröffnen. Auch auf der nationalen Ebene wird Biden sich an den Wiederaufbau der Klimaschutzpolitik machen. Er hat umfassende Pläne für nachhaltige Energie und Klimaschutz vorzuweisen und will erfahrenes Personal einsetzen, um diese umzusetzen. Klimaschutz soll im Zentrum seiner Agenda stehen. Der Kongress ist und bleibt eine Herausforderung für Bidens Politik. Mit seinem Kabinett und seiner eigenen Erfolgsgeschichte in der überparteilichen Zusammenarbeit könnten ihm aber durchaus Erfolge gelingen.