Energiezugang, Wasser, sanitäre Einrichtungen und Ernährungssicherheit in ländlichen Gebieten: Einblicke aus Ruanda
02.08.2021
Welche Art von Hilfe benötigen abgelegene Dörfer in Entwicklungsländern, um ihre Infrastruktur nachhaltig zu verbessern? Wie steht es um die Stromversorgung, die Verfügbarkeit und Qualität von Kochmöglichkeiten und die Qualität des Wasserzugangs in diesen Siedlungen? Gibt es dort einen Zusammenhang zwischen dem Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen und der Ernährung? Und wenn ein Projekt umgesetzt wird, wie können die Fortschritte auf Haushaltsebene überwacht, berichtet und bewertet werden? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Projektes “Action-Based & Impact-Driven Research: Establishing Collaborative Frameworks for Researchers, Impact Makers, and Sustainable Entrepreneurs (IMPACT-R)”.
Ich habe dieses Projekt im Rahmen meines Klaus-Töpfer-Nachhaltigkeitsstipendiums am Institute for Advanced Sustainability Studies ins Leben gerufen, wo ich mich auf die Erforschung des Nexus zwischen dem Zugang zu Energie, Trinkwasser, sanitären Einrichtungen und Hygiene sowie der Ernährungssicherheit (im Folgenden mit seinen englischen Initialen „WASH“ abgekürzt) in abgelegenen Regionen konzentriere und die von meinem Unternehmen HEDERA Sustainable Solutions entwickelten digitalen Lösungen weiterentwickle.
IMPACT-R wurde auf der Grundlage der neuesten internationalen Standards für die Berichterstattung über die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele (Ziele 2, 6 und 7) konzipiert und verfolgt vier Hauptziele:
(i) Entwicklung eines Rahmens für die Bedarfsermittlung;
(ii) Schulung des lokalen Personals im Umgang mit digitalen Tools zur Sensibilisierung für die Bedürfnisse der Gemeinschaft;
(iii) Befähigung lokaler Organisationen zur Berichterstattung an Förderer über ihre Leistungen und Zukunftspläne; und
(iv) Ermöglichung von Folgenabschätzungen auf Haushaltsebene, um Verbesserungen beim Zugang zu Strom und Kochmöglichkeiten, WASH und Ernährung zu überwachen, indem die Vorteile digitaler Tools genutzt werden.
IMPACT-R, das im Dezember 2020 startete, begann mit der Identifizierung von Rahmenwerken und Messinstrumenten in den Bereichen Energiezugang, WASH und Ernährungssicherheit und der anschließenden Anpassung von Software und digitalen Tools, um Datenerfassung, Analyse und automatische Berichterstattung zu ermöglichen. In der ersten Phase wurden das Multi-Tier Framework (MTF) für die Messung des Energiezugangs, das vom Energy Sector Management Assistant Program (ESMAP) der Weltbank entwickelt wurde, das Joint Monitoring Program (JMP) für WASH von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNICEF sowie die Food Insecurity Experience Scale (FIES), eine erfahrungsbasierte Metrik für die Ernährungssicherheit von Haushalten oder Einzelpersonen, das von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) entwickelt wurde, ausgewählt. Die Methoden wurden für eine Reihe von Datenerfassungskampagnen ausgewählt, an denen Mikrofinanzinstitutionen und Nichtregierungsorganisationen in Afrika, Lateinamerika und Südasien beteiligt waren.
Datenerhebung vor Ort
Die anfängliche Datenerhebung bestand aus einer Grundlagenstudie und einer eingehenden Bedarfsanalyse, die gemeinsam mit der Sustainable Villages Foundation (SVF) durchgeführt wurde, einer in Berlin ansässigen Organisation, die ein Modell zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in abgelegenen ländlichen Regionen mit unzureichender Infrastruktur entwickelt und umsetzt. Für eine Pionierstudie wählte die SVF eine Pilotgemeinde in Ruanda aus, die Zwillingssiedlungen Bisagara und Rugarama (zusammen Bisagara genannt, ein Dorf mit etwa 600 Haushalten und über 2600 Einwohnern). Sie liegt in der Region Bugasera im östlichen Distrikt Ruandas.
Methodik
Die Basisstudie bestand aus einer Haushaltsdatenerhebung (245 Haushalte) und eingehenden Fokusgruppendiskussionen mit verschiedenen Interessengruppen, die im April 2021 über einen Zeitraum von zehn Tagen durchgeführt wurden. Die Haushaltsbefragung umfasste etwa 250 Fragen. Darüber hinaus wurde ein Haushaltsverzeichnis mit einer detaillierten Reihe von Kontrollvariablen für die weitere Analyse erstellt.
Die Fokusgruppendiskussionen konzentrierten sich auf die aktuelle Situation und den Status des Dorfes sowie auf die Zukunftsvisionen, Herausforderungen und Lösungen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Zwillingssiedlungen. Zu den Teilnehmenden gehörten Ladenbesitzer und -besitzerinnen, Grundschullehrkräfte, Schüler und Schülerinnen im letzten Schuljahr, Mitglieder von drei verschiedenen Bauerngruppen und Mitglieder einer Spar- und Kreditgenossenschaft (SACCO).
Digitale Werkzeuge für die Haushaltsdatenerhebung und technisches Setup
Im Rahmen des IMPACT-R-Projekts wurde allen teilnehmenden Organisationen ein Haushaltsfragebogen über eine Android-App zur Verfügung gestellt. HEDERA leistete technische Unterstützung bei der Einrichtung der digitalen Tools und der Überwachung während der Datenerhebung vor Ort.
Der Fragebogen umfasste Erhebungen zur Energie-, WASH- und Ernährungssicherheit, die unter Berücksichtigung des lokalen Kontexts (fehlender Netzanschluss, zusätzliche Techniken zur Wassergewinnung und -speicherung, verfügbare Geräte usw.) optimiert wurden. Neben den Standardfragen enthielt die Umfrage auch GPS-Standortdaten und die Möglichkeit, Fotos zu machen.
Vorläufige Ergebnisse
Von den 600 Haushalten des Dorfes wurden 245 zufällig ausgewählte Haushalte befragt, und es fanden sieben Fokusgruppendiskussionen statt. Ausgehend von den Fokusgruppendiskussionen und ausführlichen Gesprächen mit der Gemeinde wurde der Zugang zu sauberem und sicherem Trinkwasser als wichtigste Priorität genannt. Mehrere Führungspersönlichkeiten und Entscheidungsträger des Dorfes, wie der Sekretär des Sektors Juru, der Sekretär der Zelle Juru, die Chiefs von Bisagara und Rugarama, der SACCO-Manager, die örtliche Krankenschwester, der Vertreter der katholischen Kirche sowie die Schulleiter der Primar- und Sekundarstufe nahmen aktiv an den Diskussionen teil.
Fünf Studierende der Universität Ruanda wurden für die Erhebung von Felddaten geschult. Das Projekt hatte für das Team, das vor Ort arbeitete, wertvolle persönliche Auswirkungen. Alle waren beeindruckt davon, wie enthusiastisch die Gemeinde die Studie aufnahm und wie bereitwillig die Teilnehmenden an den verschiedenen Fokusgruppen ihre Ansichten, Kommentare und Visionen mitteilten. Gleichzeitig waren die Studenten dankbar für die Gelegenheit, mit der ländlichen Realität in Kontakt zu kommen. „Jeder Haushalt, den ich aufsuchte, freute sich über meinen Besuch, empfing mich mit einem Lächeln und war bereit, mir alle Informationen mitzuteilen, nach denen ich fragte“, so ein Student.
Die Ergebnisse der Studie unterstreichen den immensen Bedarf an erschwinglicher, sauberer Wasserversorgung und -speicherung, ein Problem, das vor der Datenerhebung nicht so offensichtlich war. Die Folgen des Wassermangels reichen vom Trinken ungefilterten Regenwassers über einen übermäßigen Zeitaufwand für das Wasserholen bis hin zu tödlichen Unfällen an Wasserspeichern. Für die ruandischen Studierenden waren einige der Informationen verblüffend; einer sagte: „Ich wusste nicht, dass es in Ruanda Orte gibt, an denen die Menschen kein sauberes Wasser haben ... einige Haushalte, die ich besuchte, sammeln Regenwasser in Plastikplanen ... das Wasser in diesen Plastikplanen ist grün geworden ... und ich fragte sie: Habt ihr jemals versucht, es zu reinigen, also abzukochen und zu filtern? Und sie sagten mir: Wie kann man Wasser abkochen, wenn man nicht einmal Holz hat, um Essen zu kochen?“ Auch die Entleerung der Klärgruben stellt eine Herausforderung für die Gemeinde dar. Das Wassersystem der örtlichen Grundschule muss dringend repariert werden, und SVF, der Wasserversorger und die Schule arbeiten zusammen, um das System bald zu reparieren.
Ein technischer Bericht ist für den Sommer 2021 geplant. Darüber hinaus werden Workshops mit dem African Center of Excellence-Energy for Sustainable Development (ACE-ESD) durchgeführt, um die Ergebnisse zu verbreiten und die digitalen Werkzeuge für die Erstellung des Berichts zu nutzen.
Aktuelle und zukünftige Entwicklungen
Weitere Datenerfassungskampagnen laufen in Lateinamerika, Südasien und Afrika südlich der Sahara als Teil des IMPACT-R-Projekts in Zusammenarbeit mit Mikrofinanzinstituten und Nichtregierungsorganisationen. Bislang wurden etwa 2500 Haushalte in Kolumbien, Haiti, Nepal, Sambia und Senegal befragt.
Interessierte können sich hier über die Arbeit der Sustainable Villages Foundation informieren. Organisationen, die sich für den Zugang zu Energie, Trinkwasser, sanitären Einrichtungen und Fragen der Hygiene und Ernährungssicherheit auf Haushaltsebene interessieren, können sich gerne über das Formular auf der IMPACT-R-Website an uns wenden.