Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Was bedeuten die Corona-Einschränkungen für Forschung mit Stakeholdern in der Energie- und Meeresforschung?

18.08.2021

Von Diana Süsser (IASS) und Vera Köpsel (Universität Hamburg)

Im Frühjahr 2020 haben wir uns die Frage gestellt: Welche Auswirkungen haben die Corona-Einschränkungen für Projekte in der Energie- und Meeresforschung, die Interessengruppen (sogenannte Stakeholder) in ihre Forschung aktiv einbeziehen?

Nach der gemeinsamen Zeit an der Universität Hamburg hat sich Vera Köpsel der Fischereiforschung gewidmet, während Diana Süsser tiefer in die Forschung für eine nachhaltige Energiewende einstieg. Was unsere Forschung jedoch vereint, ist, dass wir beide aktiv mit Interessengruppen aus der Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Forschung zusammenarbeiten. Für 2020 hatten wir viele Aktivitäten mit genau diesen Stakeholdern geplant. Doch die Coronakrise brachte viele Fragezeichen, wenn es um deren Umsetzung ging. Wir waren uns sicher, dass wir hier nicht allein sind: global haben die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen den Menschen das Leben erschwert, was, so dachten wir, auch nicht ohne Folgen für die Forschung mit Stakeholdern sein konnte.

Aus diesem Grund entschlossen wir uns, gemeinsam eine Umfrage zu machen, die die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf Forschungsaktivitäten näher in den Blick nimmt. Zentrale Forschungsfragen waren: Welche Auswirkungen haben Kontaktbeschränkungen und Lockdowns auf die Forschung, die mit der Einbindung von Interessengruppen arbeitet? Welche Maßnahmen haben die Forschenden ergriffen? Und wie bewerten die Forschenden alternative Stakeholder-Aktivitäten?

Im Sommer 2020 verteilten wir die Umfrage an europäische Forschungsprojekte in den Energie- und Meereswissenschaften. Insgesamt 84 Antworten erhielten wir aus der Energieforschung und 24 aus der Meeresforschung.

Fünf Kernbotschaften aus der Umfrage sind:

  1. Corona-Maßnahmen beeinflussen die Forschung mit den Stakeholdern überwiegend negativ.
  2. Forschende sind mit großer Mehrheit auf alternative Online-Formate umgestiegen.
  3. “Eins-zu-eins”-Online-Formate funktionieren am besten.
  4. Der Fortschritt vieler Forschungsprojekte wird durch diese Umstellungen gebremst und einige gehen sogar in Verlängerung.
  5. Online-Formate werden physische Veranstaltungen auch in Zukunft ergänzen, aber nicht ersetzen.

Corona-Maßnahmen beeinflussten die Forschung mit den Stakeholdern überwiegend negativ

Für die meisten Forschenden hat die Coronakrise die Einbeziehung von Stakeholdern in die Forschung negativ beeinflusst. Nicht ganz überraschend wurde es schwieriger, verschiedene Interessenvertreter:innen zu erreichen. Diese hatten weniger Zeit und die Priorität für deren Beteiligung in den Forschungsprojekten sank. In der Energieforschung konnte laut der Umfrage im Durchschnitt nur eine von sechs geplanten Aktivitäten stattfinden. Es zeigte sich jedoch auch, dass es für einige Forschende einfacher wurde Stakeholder:innen online zu reichen, als es vorher war, persönliche Meetings zu vereinbaren. Gründe dafür könnten sein, dass Stakeholder: innen aufgrund des Wegfalls von Dienstreisen im Homeoffice besser erreichbar waren und es sie weniger Zeit kostete an einem Online-Meeting teilzunehmen.

Forschende sind mit großer Mehrheit auf alternative Online-Formate umgestiegen

Soziale Distanz bedeutete, dass fast alle Forschungsaktivitäten online stattfanden. Die meisten Präsenz-Veranstaltungen wurden entweder abgesagt oder verschoben, bisweilen wurde auch das Format geändert. Die Forschenden wählten vor allem Webinare und Online-Workshops als alternative, digitale Formate aus. Projekte, die hingegen von vornherein online stattfinden sollten, konnten meist wie geplant durchgeführt werden.

"Eins-zu-eins"-Online-Formate funktionieren am besten

Die Forschenden gaben an, dass Online-Formate am besten funktionieren, wo ein Eins-zu-eins-Austausch oder nur eine einseitige Informationsbereitstellung erfolgt. Online-Interviews und -Umfragen wurden am positivsten eingeschätzt, während die virtuelle Einbindung von Stakeholdern in interaktivere Formate wesentlich schwieriger war. Das liegt vor allem daran, dass ein interaktiver Austausch online schwierig ist, sehr viel mehr Vorbereitungszeit benötigt und Energie kostet. Digitale Veranstaltungen fielen daher häufig kürzer aus, um die Teilnehmenden und Veranstaltenden nicht zu überfordern. Somit konnten weniger tiefgreifende und bedeutungsvolle Ergebnisse erzielt werden.

Forschungsprojekte gehen in die Verlängerung?

Der Arbeitsfluss von vielen Projekten wurde durch die Coronakrise gestört. Sechs Monate nach der Covid-19-Pandemie sahen über 80% der Forschenden in den Meereswissenschaften und mehr als die Hälfte der Energieforscher:innen den Arbeitsablauf und die Ergebnisse ihres Forschungsprojekts negativ beeinflusst. Verspätungen in den Forschungsprojekten führten auch dazu, dass mehr als ein Drittel und rund ein Viertel der Forschenden in der Energie- bzw. Meeresforschung angaben, dass sie den Bedarf für eine Projektverlängerung sehen. Einige der Projekte gaben an, dass sie bereits in Verhandlungen mit der Europäischen Kommission getreten sind. Ob und wie lange Projekte verlängert werden müssen, bleibt jedoch abzuwarten. Unser Forschungsprojekte SENTINEL (Energieforschung) strebt eine Verlängerung von circa einem halben Jahr an.

Online-Formate werden Präsenzveranstaltungen auch in Zukunft ergänzen, aber nicht ersetzen

Es besteht ein großer Konsens bei den Forschenden, dass Online-Aktivitäten auch nach der Coronakrise für die Einbindung von Stakeholdern genutzt werden. Wenn es um bilaterale Informationsübermittlung oder -austausch geht, eignen sich digitale Formate sehr gut. Aber es zeigt sich auch Einigkeit, dass Online-Formate physische Veranstaltungen vor allem ergänzen, aber nicht ersetzen werden. Ein Grund dafür ist, dass nicht alle Stakeholder:innen an Online-Veranstaltungen teilnehmen können und so möglicherweise bestimmte Gruppen ausgeschlossen werden. Transdisziplinäre Forschung, die auf ko-kreative Zusammenarbeit mit Stakeholder:innen aus ist, wird daher auch in Zukunft nicht ohne physische Treffen auskommen.

Unsere Forschung hat gezeigt, dass die digitale Einbindung von Stakeholdern in die Forschung eine neue Norm geworden ist. Es ergeben sich daraus Möglichkeiten, Stakeholder:innen regelmäßiger und zu geringeren Reise- und Veranstaltungskosten einzubinden. Inklusive, tiefgreifende Zusammenarbeit zwischen Forschenden und Praxispartnern bedarf jedoch auch weiterhin der physischen Interaktion zwischen Menschen. Am Ende der Coronakrise werden wir es sicherlich wieder alle neu zu schätzen wissen, uns persönlich treffen zu können und so gemeinsam angewandte, relevante Forschung durchführen zu können - und zwar mit Austausch sowohl während der eigentlichen Workshops als auch informell in den Kaffeepausen, deren Bedeutung man nicht unterschätzen sollte.

Diese Forschung wurde im Rahmen der EU H2020 Projekte SENTINEL und PANDORA durchgeführt. Ein wissenschaftlicher Artikel zu den Ergebnissen aus der Meeresforschung ist in Maritime Studies erschienen, zur Energieforschung in Open Research Europe.

Wenn Sie mehr über unsere Forschung erfahren möchten, sind Sie herzlich zum IASS Tuesday Talk am 24. August um 14:00 Uhr eingeladen. Sie können sich hier anmelden.

 

Share via email

Copied to clipboard

Drucken