Nachhaltigkeit braucht vielfältige Change Agents
18.03.2022
Das Klaus Töpfer Sustainability Fellowship des IASS wurde zu Ehren seines Gründungsdirektors Prof. Dr. Klaus Töpfer ins Leben gerufen. Es fördert Persönlichkeiten, die sich wie er für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen. Die Bewerbung für das Klaus Töpfer Sustainability Fellowship im Jahr 2023 läuft aktuell, die Bewerbungsfrist wurde bis zum 17. April 2022 verlängert. Gesucht werden Change Agents, die Brücken bauen zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Seit 2019 wird es einmal im Jahr an Personen im In- und Ausland vergeben, die sich seit mehreren Jahren mit Fragen der Nachhaltigkeit beschäftigen. Während des Fellowships setzen sie innovative Ideen um, die den Weg in eine nachhaltige Gesellschaft gestalten. Sie werden zu Führungspersönlichkeiten, die ein gemeinsames Verständnis für die Herausforderungen der Nachhaltigkeit entwickeln sowie Lösungswege und zukunftsweisende Methoden aufzeigen, mit unterschiedlichen Akteuren zusammenzuarbeiten. Wie vielfältig diese Wege sein können, zeigen die Projekte der vorherigen und des aktuellen Klaus Töpfer Fellows.
Die erste Inhaberin des Klaus Töpfer Sustainability Fellowships, Dr. Nicole de Paula, hat das Netzwerk Women Leaders for Planetary Health gegründet und ist bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (Food and Agriculture Organization – FAO) der Vereinten Nationen als Expertin für die Nachhaltigkeitsziele tätig. Dr.-Ing. Natalia Realpe Carrillo, Leiterin von HEDERA Sustainable Solutions, etablierte das Forschungsnetzwerk „Impact R – Action-Based & Impact-Driven Research“. Impact-R schafft einen Kooperationsrahmen für Wissenschaftler*innen, Finanzdienstleister*innen, Anbieter*innen von grundlegenden Dienstleistungen und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmen, die Organisationen unterstützen wollen, digitale Instrumente zur Folgenabschätzung einzusetzen, um die Erfolge bei der Erfüllung der Grundbedürfnisse der Menschen in ländlichen Gebieten von Entwicklungsländern zu verstehen, zu ermitteln, zu verbessern und zu überwachen. Es spricht Mikrofinanzunternehmen, Nichtregierungsorganisationen, Genossenschaften und Technologieanbieter gleichermaßen an. Impact-R trägt zum interdisziplinären Assessment für eine grüne, inklusive Finanzierung von Projekten zur Nachhaltigkeitsentwicklung bei.
Ein besonderes Anliegen des Netzwerks ist es, die Nachhaltigkeitsziele in abgelegenen ländlichen Gemeinden in Entwicklungsländern zu erreichen. Private Haushalte sollen Zugang erhalten zu „bezahlbarer und sauberer Energie“ (Nachhaltigkeitsziel 7) sowie zu „sauberem Wasser und Sanitärversorgung“ (Nachhaltigkeitsziel 6), sie sollen „keinen Hunger“ (Nachhaltigkeitsziel 2) erleiden und „Armut in allen ihren Formen und überall beenden“ (Nachhaltigkeitsziel 1). Eine Karte gibt eine Übersicht über beteiligte Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
Forscher*innen und Praxisakteure tragen durch Umfragen die Angaben zur Energie-, Wasser- und sanitären Versorgung sowie zur Ernährungssicherheit von Haushalten zusammen und werten sie aus. Sie teilen die Daten mit Organisationen, um Programme zu entwickeln, die die Bedürfnisse der Menschen adressieren, und leiten aus der Forschung Maßnahmen mit unterschiedlichen Beteiligten ab, zu denen Wissenschaftler*innen ebenso wie wirkungsorientierte Investor*innen gehören. Es werden konkrete Empfehlungen entwickelt, wie Organisationen für gefährdete Bevölkerungsgruppen den Zugang zu Energie, Wasser und sanitären Einrichtungen vor Ort umsetzen können und wie internationale Rahmen genutzt werden können, um die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele im Lauf der Zeit zu verfolgen.
Prof. Dr. Dr. Louis Kotzé möchte während seines Fellowships ein neues Rechtsparadigma für das Anthropozän entwickeln, das er Erdsystemrecht nennt. Bestehende Umweltrechtsprinzipien wie die nachhaltige Entwicklung und das Verursacherprinzip sind im Kontext einer holozänen (vorindustriell geprägten) Denkweise entstanden. Im Zeitalter des Anthropozäns, in dem der Mensch entscheidend die Umwelt verändert, sind sie untauglich geworden. Sie wurden seit den 1970er Jahren entwickelt, um die Umwelt zum Wohle des Menschen zu organisieren. Sie sind aber nicht mehr in der Lage, die neuen Herausforderungen der planetaren Governance zu bewältigen, die sich aus den komplexen, miteinander verbundenen Veränderungen des Erdsystems ergeben. Sie verstärken stattdessen ein neoliberales Entwicklungsparadigma. Das Anthropozän erfordert jedoch eine neue Denkweise, die sich auf erdzentrierte Rechtsgrundsätze stützt, um Gesetzgeber und politische Entscheidungsträger bei der Entwicklung von Gesetzen für das Anthropozän anzuleiten.
Louis Kotzés Projekt zielt insbesondere darauf ab, im Rahmen eines kürzlich vorgeschlagenen Rechtsrahmens für das Erdsystem radikal andere Rechtsgrundsätze zu identifizieren und auszuarbeiten, um das menschliche Verhalten in einer neuen und radikal anderen Anthropozän-Epoche zu regeln. Das Erdsystemrecht ist eine innovative Rechtsvorstellung, die im planetaren Kontext des Anthropozäns und seiner wahrgenommenen sozio-ökologischen Krise verwurzelt ist. Es ist auf die funktionale, räumliche und zeitliche Komplexität des Erdsystems ausgerichtet und reagiert auf die vielfältigen Herausforderungen der Erdsystemwissenschaft und der sozialwissenschaftlichen Governance, die sich aus einem nicht analogen Zustand ergeben, in dem sich das Erdsystem derzeit befindet. Unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, die Gestaltung einer wünschenswerten planetaren Zukunft zu leiten, bietet das Erdsystemrecht potenziell einen intra-, inter- und transdisziplinären analytischen Rahmen, um die Herausforderungen der Erdsystem-Governance besser zu verstehen und darauf zu reagieren; die normativen Grundlagen, um das gesamte Spektrum der Erdsystembeziehungen auf eine Weise zu regeln, die die planetarische Gerechtigkeit fördert; und die rechtlichen Mittel, um eine transformative Governance für langfristige Nachhaltigkeit zu erleichtern.
Louis Kotzé gibt unterschiedlichen Forschungsbereichen einen Raum: Er untersucht, wie demokratische Prozesse die planetaren Transformationen vorantreiben können. Er betrachtet Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zwischen Natur, Technik und Gesellschaft. Er analysiert, wie Wahrnehmungen, Werte und Orientierung innerhalb der Gesellschaft ebenso wie von Individuen einen Wandel beeinflussen. Er beobachtet, wie innovative Energiesysteme und gesellschaftlicher Wandel den Umstieg auf ein kohlenstoffneutrales Energiesystem beschleunigen können. Und er zeigt, wie eine auf Umwelt und Gesellschaft fokussierte Governance zu gesellschaftlichen Veränderungen beiträgt.
Wir freuen uns darauf, unseren zukünftigen Klaus Töpfer Fellow 2023 willkommen zu heißen, weiterhin bahnbrechende Innovationen zu schaffen sowie Prozesse des gesellschaftlichen Wandels hin zu einer nachhaltigen Entwicklung zu verstehen und zu steuern. Die Gründerin des Netzwerks Women Leaders for Planetary Health Dr. Nicole de Paula, die Energietechnikerin und Netzwerkökonomin Natalia Realpe Carrillo und der auf Umweltrecht spezialisierte Völkerrechtler Louis Kotzé verfolgen unterschiedliche Ansätze. Aber alle drei gestalten mit ungewöhnlichen Projekten den Weg hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft. Alle drei unterstreichen: Die Zukunft passiert jetzt.