Afrikanische Exporte von sauberem Wasserstoff: Potenziale und Fallstricke
12.05.2022
Die großen Energieressourcen in vielen Teilen Afrikas machen den Kontinent zu einem potenziellen Standort für die Produktion und den Export von klimafreundlichem Wasserstoff, entweder auf der Grundlage von erneuerbarem Strom (grüner Wasserstoff) oder von Erdgas in Kombination mit Technologien zur Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff (blauer Wasserstoff). Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse erzeugt, indem Wassermoleküle mit Hilfe von erneuerbarem Strom in ihre Bestandteile aufgespalten werden, während blauer Wasserstoff durch die Aufspaltung von Erdgas in Wasserstoff und CO2 erzeugt wird - wobei das CO2 anschließend abgeschieden und gespeichert werden muss.
Mehrere afrikanische Länder, vor allem in den nördlichen und südlichen Tropen, verfügen über hervorragende Sonnen- und Windressourcen. Afrika hat zudem ein großes ungenutztes Wasserkraftpotenzial, vor allem entlang der Flüsse Kongo und Nil. Länder wie Nigeria, Algerien und Angola verfügen über einige der größten Gasreserven der Welt. Blauer Wasserstoff wird als kohlenstoffarme Option für die Diversifikation der von fossilen Brennstoffen abhängigen Volkswirtschaften dieser Länder vorgeschlagen.
Dieses große Ressourcenpotenzial hat das politische Engagement einiger europäischer Länder, vor allem Deutschlands, angespornt. Die deutsche Regierung hat sich mit mehreren afrikanischen Ländern zusammengetan, um einen "Potenzialatlas Wasserstoff" zu entwickeln, und hat 45,7 Millionen US-Dollar für die nationale Strategie zur Entwicklung von grünem Wasserstoff in Namibia bereitgestellt. Deutschland und die Demokratische Republik Kongo haben Gespräche aufgenommen, die dazu führen könnten, dass das Land das umstrittene Staudamm-Projekt Inga III wieder aufnimmt. Deutschland hat auch so genannte Wasserstoffbüros in Angola und Nigeria eingerichtet, um den Dialog mit diesen Volkswirtschaften, die fossile Brennstoffe exportieren, zu erleichtern.
Die politische und wirtschaftliche Bedeutung von Wasserstoff in Afrika
Doch wie realistisch sind diese Ambitionen angesichts einer Reihe von Faktoren, die das Erschließen dieses Energieträgers in der Region erschweren?
Zunächst einmal kann die Entwicklung von Wasserstoff nicht von Afrikas breiterer Energielandschaft getrennt werden. Mehr als die Hälfte der afrikanischen Bevölkerung hat keinen Zugang zu Elektrizität. Der Pro-Kopf-Energieverbrauch in Afrika südlich der Sahara (ohne Südafrika) liegt bei 180 kWh, verglichen mit 13.000 kWh pro Kopf in den USA und 6.500 kWh in Europa. Auch die erneuerbaren Energien befinden sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium: Im Jahr 2018 erzeugte der Kontinent etwa 180 TWh Strom aus erneuerbaren Energien - etwa 20 Prozent der Stromerzeugung und weniger als 0,02 Prozent des geschätzten Potenzials.
Quelle: IRENA (2014) Estimating the Renewable Energy Potential in Africa; FAO (2011) Water for agriculture and energy: The challenges of climate change; IEA (2019) Africa Energy Outlook
Trotz des großen Potenzials wirft der Ausbau der Kapazitäten für die Produktion von grünem Wasserstoff die Frage auf, ob dieser nicht auf Kosten der Ausweitung des lokalen Zugangs zu erneuerbaren Energien geht - um sozioökonomische Bedürfnisse zu erfüllen, eine saubere industrielle Entwicklung zu ermöglichen und die nationalen Klimaziele im Rahmen des Pariser Abkommens zu erreichen. Darüber hinaus geht die Produktion von grünem Wasserstoff mit einem erheblichen Wasserbedarf einher, und das in einer Zeit, in der die Wasserknappheit in ganz Afrika zunimmt - insbesondere in den nördlichen Regionen und der Sahelzone. Auch die Aussicht auf blauen Wasserstoff als klimafreundlichen Energieträger bleibt aufgrund der verbleibenden Treibhausgasemissionen, der Notwendigkeit sicherer CO2-Speicherstätten und der Kontroverse über die Realisierbarkeit von Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung höchst ungewiss.
Außerdem müssen die politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger die wirtschaftliche Machbarkeit von Wasserstoffexporten berücksichtigen. Insbesondere die Produktion von sauberem Wasserstoff an einigen der vielversprechendsten Standorte in Afrika könnte sehr wettbewerbsfähig sein, vor allem aufgrund der reichlich vorhandenen Solarressourcen. Allein in Westafrika könnten etwa 120.000 TWh grüner Wasserstoff pro Jahr zu einem Preis von weniger als 2,63 USD/kg produziert werden, vorausgesetzt, es gibt keine Einschränkungen in Bezug auf Wasser. Diese Wettbewerbsfähigkeit wird jedoch durch die Kosten für den Transport von Wasserstoff beeinträchtigt. Der Seetransport, der bei Entfernungen von mehr als 3000 km als der kosteneffizienteste gilt, würde schätzungsweise 1 bis 2,75 $/kg kosten. Bei kürzeren Entfernungen könnten die Kosten für den Transport über Pipelines erheblich niedriger sein, nach Schätzungen 0,18 $/kg pro 1000 km für neue Wasserstoff-Pipelines und 0,08 US$ für nachgerüstete Gas-Pipelines.
Obwohl solche Infrastrukturinvestitionen mit hohen Kosten verbunden sind und die Umsetzung häufig nur zögerlich vonstatten geht, könnten die derzeitigen Pipelines, wenn sie umgewidmet werden, einen Ausgangspunkt für den afrikanischen Wasserstoffhandel darstellen. Die gegenwärtige internationale Pipelineinfrastruktur in Afrika besteht hauptsächlich aus Pipelines, die Erdgas aus nordafrikanischen Ländern nach Europa transportieren, sowie aus Verbindungen zwischen Ägypten und dem Nahen Osten. Darüber hinaus bietet das Netz der Westafrikanischen Gaspipeline (WAGP), über das derzeit Gas aus Nigeria in die Nachbarländer Benin, Togo und Ghana transportiert wird, auch Potenzial für den Transport von Wasserstoff. Es ist der Ausgangspunkt für das kürzlich gestartete Nigeria-Marokko-Pipeline-Projekt, das möglicherweise weiter nach Europa verlängert werden könnte. Wenn sie "wasserstofftauglich" gebaut wird, könnte die WAGP für den Export von Wasserstoff aus westafrikanischen Ländern genutzt werden. Der Erfolg wird jedoch von den Interessen der Regierungen von Nigeria und Marokko abhängen.
Wasserstoffentwicklung in Afrikas Vorreitern der grünen Energie
Neben ihren exportorientierten Ambitionen sind afrikanische Länder an verschiedenen lokalen Nutzungsformen von grünem Wasserstoff und damit verbundenen Möglichkeiten für die industrielle Entwicklung interessiert. So plant Marokko, ein wichtiger Exporteur von Düngemitteln, die Einfuhr von konventionellem Ammoniak durch im Land produziertes grünes Ammoniak zu ersetzen. Das erste Projekt soll 2022 in Betrieb gehen. Auch Ägypten investiert in eine Anlage zur Herstellung von einer Million Tonnen grünem Ammoniak pro Jahr.
Südafrika hat eine Strategie beschlossen, die nicht nur auf die Produktion von Wasserstoff abzielt, sondern auch auf die heimische Herstellung von wasserstoffbezogenen Technologien und Produkten. Aufbauend auf seinem Reichtum an Platingruppenmetallen - einem Schlüsselmetall für die Herstellung von Wasserstofftechnologien - fördert die südafrikanische Regierung einen Industriekorridor, der sich von der Bergbauregion Limpopo über das Industriegebiet von Johannesburg bis nach Durban erstreckt. Der Chemie- und Energieriese des Landes, Sasol, hat eine Initiative für wegweisende grüne Wasserstoffprojekte ins Leben gerufen, die darauf abzielt, die bestehenden Wertschöpfungsketten für Materialien und Chemikalien umweltfreundlicher zu gestalten.
Ob die Bestrebungen, große Mengen Wasserstoff aus Afrika nach Europa zu exportieren, realisierbar sind, bleibt angesichts der Beschränkungen im Bereich der Transportinfrastruktur, des Zugangs zu Wasser und bedeutender klimapolitischer Erwägungen eine offene Frage. Außerdem muss jede Strategie zur Entwicklung von Wasserstoffexporten die industriepolitischen Ambitionen wichtiger Akteure auf dem Kontinent berücksichtigen, um nicht den guten Willen dieser Verbündeten zu verlieren.
Informationen zur Unterstützung und Finanzierung: Dieser Blogbeitrag entstand im Rahmen des Projektes „Geopolitik der Energietransformation: Implikationen einer internationalen Wasserstoffwirtschaft“ (GET Hydrogen) und wurde in diesem Zusammenhang mit Mitteln des Auswärtigen Amtes gefördert. Er wurde zuerst von der Brookings Institution veröffentlicht.