Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Der G7-Klimaclub – Motor oder Bremse für die transatlantischen Beziehungen?

01.08.2022

Sonja Thielges

Dr. Sonja Thielges

sonja [dot] thielges [at] rifs-potsdam [dot] de
Charlotte Unger

Dr. Charlotte Unger

charlotte [dot] unger [at] rifs-potsdam [dot] de
The G7 presidency also introduced the concept of a G7-based climate club, which represents an opportunity to intensify transatlantic climate and energy relations.

Seit Januar hat Deutschland die Präsidentschaft in der Gruppe der 7 (G7) inne. Im Einklang mit ihren eigenen nationalen Prioritäten kündigte die deutsche Regierung ehrgeizige klimapolitische Ziele für ihren G7-Vorsitz an. Dazu gehören die Beschleunigung des weltweiten Kohleausstiegs und die Förderung der sektoralen Dekarbonisierung. Die Bundesregierung stellte auch das Konzept eines G7-Klima-Clubs vor. Er bedeutet eine Chance zur Intensivierung der transatlantischen Klima- und Energiebeziehungen.

Der deutsche Klimaclub-Vorschlag: neues Konzept, alte Idee

Ein Klimaclub ist, grob gesagt, eine kleine Gruppe von Akteuren, die zusammenarbeiten, um den Fortschritt bei bestimmten Klimaschutzthemen zu beschleunigen, der über die Ziele hinausgeht, die in größeren Foren wie der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) vereinbart wurden. Bereits in den 1960er Jahren beschrieb James M. Buchanan Clubs als Wirtschaftsgemeinschaften und besonders zweckmäßige Form der Zusammenarbeit. Der Nobelpreisträger William Nordhaus vertritt die Ansicht, dass in Klimaclubs die Entscheidungsprozesse schneller ablaufen und Nachzügler/Nichteinhaltung von Zielen leichter bestraft werden können.

In der akademischen Forschung werden zwei extreme Typen von Clubs unterschieden. Das eine Extrem könnte man als "Nordhaus-Clubs" bezeichnen: exklusive, kleine Gruppen, die ihren Mitgliedern wirtschaftliche und politische Vorteile gewähren. Nordhaus sah sie als eine alternative Form der Zusammenarbeit zur UNFCCC. Das andere Extrem sind freiwillige, eher lose und weniger exklusive Bündnisse, die von Jessica Green und anderen als "Pseudo- oder freiwillige Clubs" bezeichnet werden. Sie konzentrieren sich auf die technische Zusammenarbeit und die Entwicklung und den Austausch von Wissen.

Heute gibt es eine Vielzahl von Klimainitiativen, die man als Clubs bezeichnen könnte. Eine Auswahl davon haben wir in unserem kürzlich erschienenen Artikel Preparing the playing field: climate club governance of the G20, Climate and Clean Air Coalition, and Under2 Coalition untersucht. Beispiele für klubähnliche Initiativen, die sich mit Klimafragen befassen, reichen von der G20 bis zu großen Bündnissen wie der Climate and Clean Air Coalition (CCAC) oder der Under 2 Coalition, die jeweils über 150 Mitglieder haben. In der Vergangenheit dienten diese Clubs vor allem dazu, eine enge Zusammenarbeit und starke Netzwerke aufzubauen. Sie schärfen das Bewusstsein für ein bestimmtes (Klima-)Thema und bauen Kapazitäten auf, um die Umsetzung klimapolitischer Maßnahmen zu unterstützen, verzichten aber darauf, ihren Mitgliedern numerische Reduktionsziele vorzugeben.

Der deutsche Klimaclub-Vorschlag enthält Elemente aus beiden Clubtypen. Er sah ursprünglich vor, dass sich die Mitglieder auf einen gemeinsamen CO2-Preis einigen und möglicherweise eine gemeinsame CO2-Grenzsteuer auf Länder außerhalb des Clubs erheben würden, um das Abwandern emissionsintensiver Industrien („Carbon Leakage“) zu vermeiden. Die Mitglieder würden sich verpflichten, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Zusätzlich zu diesem sehr exklusiven Ansatz plante die deutsche Regierung jedoch auch, sich auf die technische Zusammenarbeit zu konzentrieren und warb für eine integrative Mitgliedschaft, die es Ländern des Globalen Südens ermöglichen würde, beizutreten und finanzielle Unterstützung zu erhalten.

Herausforderungen für die deutsche G7-Klimaagenda

Die deutsche Klimaschutzagenda sah sich an verschiedenen Fronten mit Herausforderungen konfrontiert: Sie wurde bald von der russischen Invasion in der Ukraine mit ihren humanitären Folgen, aber auch mit ihren Auswirkungen auf die Energiesicherheit in Deutschland und der Europäischen Union (EU) insgesamt überschattet. Da Deutschland in hohem Maße von Importen fossiler Brennstoffe aus Russland abhängig ist und die Energiepreise rapide stiegen, war die Bundesregierung gezwungen, alternative Erdgaslieferanten zu erschließen, darunter die Vereinigten Staaten, um die Versorgung mit fossilen Brennstoffen für den kommenden Winter zu sichern.

Außerdem schienen mehrere konzeptionelle Aspekte von Anfang an im Widerspruch zu stehen. Das Bestreben, einen gemeinsamen CO2-Preis festzulegen, ist selbst unter den G7-Mitgliedern problematisch, da nur die EU-Länder und das Vereinigte Königreich ein entsprechendes System auf nationaler Ebene betreiben. Außerdem ist die Einigung auf ein gemeinsames Kohlenstoffpreisniveau ohne ein bestehendes Emissionshandels- oder CO2-Besteuerungssystem ein äußerst schwieriges Unterfangen, bei dem innenpolitische und geopolitische Empfindlichkeiten eine entscheidende Rolle spielen.

Die G7-Treffen haben die ehrgeizigen Pläne Deutschlands verwässert. Die G7-Umwelt- und Energieminister konnten sich nicht auf ein Datum für den Kohleausstieg einigen und beschränkten sich darauf, "so bald wie möglich" aus der Kohleverstromung auszusteigen. Sie verpflichteten sich zu einer "überwiegenden" Dekarbonisierung ihrer Stromversorgung bis 2035 und zu einer "weitgehenden" Dekarbonisierung des Verkehrssektors bis 2030. Das längst überfällige Ende der direkten öffentlichen internationalen Finanzierung fossiler Energieträger soll 2022 auslaufen. Als Hoffnungsschimmer für den Klimaschutz haben sich die G7-Mitglieder auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Juni in Elmau darauf geeinigt, bis Ende 2022 gemeinsam einen Klimaklub zu gründen. Der neue Vorschlag verzichtet auf den Kohlenstoffpreis als Voraussetzung für die Mitgliedschaft und besteht aus drei Säulen.

Erstens würden die Mitglieder eine ehrgeizige und transparente Klimaschutzpolitik verfolgen und bis Mitte des Jahrhunderts Kohlenstoffneutralität erreichen. Sie streben eine bessere Vergleichbarkeit ihrer Bemühungen an, zum Beispiel in Bezug auf deren Wirksamkeit und Auswirkungen. Hier könnte unter anderem die Kohlenstoffbepreisung als Vergleichsmaßstab dienen. Zweitens würden die Mitglieder die Industriedekarbonisierung beschleunigen und Märkte für umweltfreundliche Industrieprodukte ausbauen, zum Beispiel über bereits bestehende G7-Initiativen wie die Agenda für industrielle Dekarbonisierung und den Wasserstoff-Aktionspakt. Drittens zielt der Club darauf ab, internationale Partnerschaften zu nutzen, um Klimaschutzmaßnahmen und den Aufbau von Kapazitäten in Entwicklungsländern zu fördern.

Das übergeordnete politische Ziel dieses Klimaklubs ergänzt das Pariser Klimaabkommen und unterstützt das Erreichen der Ziele des Abkommens, vor allem die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C. Die jetzt geplanten Hauptaktivitäten scheinen sich einem offenen, freiwilligen, technischen Forum anzunähern, bei dem der Schwerpunkt auf der Dekarbonisierung des Industriesektors liegt.

Die Vereinigten Staaten als Teil eines Klimaklubs?

Jede klubähnliche Initiative, die eine Bepreisung von Kohlenstoff einschließt, hätte zwangsläufig zu Reibungen mit den Vereinigten Staaten geführt. Die Regierung Biden hat zwar ehrgeizige Klimaziele, aber es ist ihr nicht gelungen, in den Vereinigten Staaten einen nationalen Kohlenstoffpreis einzuführen. Im Kongress sind die klimapolitischen Bemühungen wieder einmal ins Stocken geraten. Eine Gruppe demokratischer Senatoren hat vor kurzem das Gesetz für einen sauberen Wettbewerb (Clean Competition Act) eingebracht, mit dem ein Kohlenstoffpreis für kohlenstoffintensive Industrien zusammen mit einem Grenzausgleichsmechanismus für Kohlenstoff eingeführt werden soll. Die Bepreisung von Kohlenstoff steht also wieder auf der Tagesordnung des Kongresses. Bisher gibt es jedoch kaum Anzeichen für die notwendige Unterstützung der Republikanischen Partei für solche Maßnahmen.

Die Hinwendung zur technischen Zusammenarbeit, zur Festlegung gemeinsamer Standards und zur Verbesserung der Vergleichbarkeit von Klimamaßnahmen ist daher eine gute Nachricht für die transatlantischen Beziehungen. Sie fügt sich gut in bestehende Bemühungen ein, wie den Global Methane Pledge oder das Handelsabkommen zwischen den USA und der EU über Stahl und Aluminium, das „grünen Stahl" mit geringer Kohlenstoffintensität fördert, oder die deutsch-amerikanische Klima- und Energiepartnerschaft, die im Mai 2022 offiziell gestartet wurde. Die Arbeitsgruppen der Partnerschaft konzentrieren sich auf die Entwicklung von Offshore-Windkraftanlagen, Themen im Zusammenhang mit grünem Wasserstoff wie Regulierung und Zertifizierung, Förderung und Zusammenarbeit bei emissionsfreien Fahrzeugen sowie den Aufbau von Kapazitäten in Schwellen- und Entwicklungsländern. Wenn diese Bemühungen auf G7-Ebene vorangetrieben werden, könnte dies ein wertvoller Ausgangspunkt für den neuen Klima-Club werden.

Even though introducing a common carbon price to date seems a long way from becoming reality, collaborating on common metrics and standards with a more long-term perspective is not without merit

First, members would pursue ambitious and transparent climate mitigation policies and achieve carbon neutrality by mid-century. They strive for increased comparability among their efforts, e. g. in terms of their effectiveness and impacts. Here, carbon pricing could function as a benchmark for comparison. Second, members would accelerate industrial decarbonization and expand markets for green industrial products, for instance via already existing G7 initiatives such as the Industrial Decarbonization Agenda and the Hydrogen Action Pact. Third, the club aims at making use of international partnerships to facilitate climate action and capacity building in developing countries.

The overall political goal of this climate club clearly complements and supports the achievement of the Paris Agreement’s objectives, first and foremost keeping global warming at 1.5°C. The main activities planned now seem to come closer to an open, voluntary, technical forum, where the focus is set on decarbonizing the industrial sector.

The United States as part of a climate club?

Any club-like initiative that includes carbon pricing would have been bound to cause friction with the United States. The Biden administration has ambitious climate goals, but it has not been able to introduce a national carbon price in the United States. In Congress, climate policy efforts are once again stalled. A group of Democratic Senators recently introduced the Clean Competition Act, an effort to introduce a carbon price for carbon-intensive industries alongside a carbon border adjustment mechanism. Carbon pricing is thus, once again, on the Congressional agenda. But so far there is little indication of the necessary Republican support for such measures.

The shift towards technical cooperation, finding common standards, and increasing the comparability of climate measures is therefore good news for transatlantic relations. It ties in well with existing efforts such as the Global Methane Pledge or the U.S.-EU trade agreement on steel and aluminium, which promotes “green steel” with a low-carbon intensity, or the German-American Climate and Energy Partnership, officially launched in May 2022. The Partnership’s working groups focus on offshore wind development, green hydrogen-related issues such as regulation and certification, zero-emission vehicle promotion and cooperation, and capacity building in emerging and developing economies. If these efforts are advanced at the G7-level, this could become a valuable starting point for the new climate club.

This article was first published on the blog of the American Institute for Contemporary German Studies (AICGS).

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