Warum internationale Zusammenarbeit scheitert - und weshalb sie trotzdem funktionieren kann
19.10.2022
Teil 1: Schritte in Richtung eines transdisziplinären Verständnisses von Konflikten und Kooperation
Die globale Klimakrise kann nur durch internationale Kooperation überwunden werden - da sind sich alle einig. Dennoch scheitert internationale Zusammenarbeit immer wieder. Der Krieg in der Ukraine hat uns besonders drastisch vor Augen geführt, wie fragil unser internationales System ist. Auch die anstehenden COP-Verhandlungen in Ägypten im November 2022 werden von vielen mit Sorge erwartet. Bei dem von der ägyptischen Präsidentschaft als „Implementierungs-COP“ bezeichneten Gipfel geht es nun nach 26 Verhandlungsrunden über Ziele, vertraglichen Rahmen und Instrumente ans Eingemachte. Zur gleichen Zeit entwickeln sich die Verhandlungspartner weiter auseinander. Dies gilt nicht nur für den alten Konflikt zwischen Globalem Norden, dem Hauptverursacher des Klimawandels und dem Globalen Süden, dem Hauptgeschädigten, sondern auch für die sich intensivierende Entfremdung zwischen „dem Westen“, China und Russland.
Erklärungen, nicht eine Erklärung
Leider wird bei der Analyse der Ursachen von internationalen Konflikten oft zu kurz gesprungen. Generell wissen wir immer mehr über unser eigenes Land als über andere Länder und die Beziehungen der Länder zueinander. Daher haben es einfache, stark personalisierte Erklärungen oft leicht, sich zu verbreiten. In diesen Erklärungen beginnt Putin einen Krieg, Trump steigt aus Klimaverträgen aus, internationale Spekulanten verursachen Finanzkrisen. Aber auch sehr allgemeine Theorien, die den anarchischen und konfliktreichen Zustand der internationalen Beziehungen quasi als Naturzustand begreifen, bringen wenig Licht in die im Dunkel liegenden Triebkräfte der internationalen Beziehungen. Zwar sind all diese Teile eines Puzzles nicht prinzipiell unstimmig, aber sie sind doch immer nur ein kleiner Teil der Erklärung und nicht die Erklärung.
Globale Politische Ökonomie als transdisziplinärer Ansatz in den internationalen Beziehungen
Meiner Meinung nach können internationale Krisen und Konflikte besser durch einen transdisziplinären Ansatz verstanden werden. Dazu gehört zumindest die Verbindung von globaler, nationaler und lokaler Ebene sowie die Wechselwirkungen von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Triebkräften. Die zentrale Frage ist hier, wie diese globalen Konflikte auf ganz konkrete Ursachen im Inland zurückgeführt werden können. Der konservative amerikanische Politikwissenschaftler Kenneth Waltz bezeichnete zum Beispiel in den 1950er-Jahren Demokratiedefizite innerhalb von Staaten als die Ursache von Krieg zwischen ihnen. Er legte damit, wie zuvor Immanuel Kant, die Hoffnungen auf einen „ewigen Frieden“ durch Demokratisierung. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums führte Lenin Imperialismus und die daraus entstehenden internationalen Konflikte auf den globalen Expansionsdrang des an seine nationalen Grenzen stoßenden Finanzkapitals. Ein solcher transdisziplinären Ansatz, der politische und wirtschaftliche Wechselwirkungen auf der internationalen, nationalen und transnationalen Ebene verbindet wird in der Politikwissenschaft oft als Globale Politische Ökonomie bezeichnet.
Why International Cooperation is Failing: How the Clash of Capitalisms Undermines the Regulation of Finance
In meinem gerade in der Taschenausgabe erschienenen Buch “Why International Cooperation is Failing: How the Clash of Capitalisms Undermines the Regulation of Finance” habe ich versucht, die Vorzüge eines solchen globalen Ansatzes am Beispiel der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008 zu illustrieren. Kurz und sehr vereinfacht zusammengefasst erkläre ich die globale Finanzkrise und ihr Management durch Konflikte zwischen den unterschiedlichen Spielarten des Kapitalismus in den USA, Europa und Ostasien. Globalisierung bedeutet nämlich nicht Angleichung - etwa im Sinne einer „Amerikanisierung“ - sondern Vielfältigkeit in gegenseitiger Abhängigkeit. Die exportabhängigen Ökonomien in Ostasien sind ebenso abhängig von amerikanischen Absatzmärkten wie die amerikanischen Finanzzentren davon abhängig sind ostasiatische, aber auch deutsche Kapitalexporte – gegen Gebühr – global zu „recyclen“.
Wie kann internationale Zusammenarbeit dennoch funktionieren?
Wenn Probleme der internationalen Beziehung aber nicht auf irgendwelche Naturzustände und zumindest nicht primär auf die Boshaftigkeit oder Unfähigkeit des Regierungspersonals zurückzuführen sind, sondern ganz konkrete Ursachen haben, dann ist die Lösung im Prinzip einfach. Ein Ausgleich zwischen den USA und Ostasien wäre beispielsweise möglich, wenn Löhne und damit Konsum in Ostasien steigen und es mehr Bürgern in den USA ermöglicht würde zu sparen. In Bezug auf die Klimakrise können internationale Verhandlungen wie die anstehenden COP27 in Ägypten dann produktiv sein, wenn sie lokale und nationale Anstrengungen ermöglichen und unterstützen. Rein technokratische Lösungen – mit der einfachen Formel technische Innovation mal Mobilisierung von Finanzmitteln – sind dagegen zum Scheitern verurteilt.
Nicht der globale Mangel von Technik und Kapital sind das Problem, sondern die Unfähigkeit, die global genug vorhandenen Ressourcen für lokale und nationale Entwicklungspfade nutzbar zu machen. In meiner aktuellen Forschung am IASS beschäftige ich mich mit dem Green Climate Fund, einer öffentlichen Internationalen Organisation, die meines Erachtens eine wichtige Rolle bei der produktiven Verbindung von globaler, nationaler und lokaler Ebene spielen kann – aber dazu mehr in meinem zweiten Blog zur COP27 im November.