Wie sieht ein gerechter Strukturwandel aus? Perspektiven aus der brasilianischen und deutschen Zivilgesellschaft
25.11.2022
Die Publikation "Just Transitions: Plurale Perspektiven der Zivilgesellschaft in Brasilien und Deutschland" [1], die auf Englisch, Deutsch und Portugiesisch erschienen ist, ist eines der Ergebnisse meines Fellowships, das ich von Mai 2021 bis Oktober 2022 am IASS absolvierte. Es handelt sich um eine deskriptive Bestandsaufnahme von NGOs, sozialen Bewegungen, Forschungsgruppen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich in Brasilien und Deutschland für einen gerechten Strukturwandel einsetzen.
Die Publikation basiert auf einer Online-Umfrage unter den genannten Akteuren. In der Auswertung werden diese nach ihrem geografischen Standort, ihrer Arbeitsebene, den von ihnen vertretenen Gruppen und den Bewegungen, denen sie angehören, unterschieden. Für einige der Akteure war die Frage nach ihrer Zugehörigkeit zu einer Interessengruppe und zu Bewegungen sehr wichtig, während für andere diese Informationen irrelevant schienen. Es ist wichtig, die Akteure sowohl auf der Karte als auch in Bezug auf ihre Zugehörigkeit zu Interessengruppen und Bewegungen zu positionieren, um zu verdeutlichen, wie die Menschen und die Interessen, die sich in jeder untersuchten Gruppe widerspiegeln, in gewisser Weise ihre Arbeit und ihre Vision für einen gerechten Übergang in ihren Kontexten prägen.
Das Hauptziel dieser Arbeit ist es, die unterschiedlichen Auffassungen darüber aufzuzeigen, was ein gerechter Übergangprozess in verschiedenen Kontexten und für verschiedene Gruppen bedeutet. Die unterschiedlichen Positionen führen zu einer Vielzahl von Perspektiven zu Fragen wie: Was ist ein gerechter Übergang? Auf welche Art und Weise tragen sie dazu bei? Was sind die Herausforderungen in diesem Prozess? Wer sollte am meisten davon profitieren? Auch wenn die in der Broschüre zusammengestellten Arbeiten keinen Vergleich zum Ziel hatten, konnte ich aus der Umfrage unter fünf brasilianischen und sieben deutschen Akteuren einige übergreifende Themen herauslesen.
Insgesamt haben die Akteure gezeigt, dass die Energiewende als zentraler Bestandteil eines gerechten Übergangs vor allem unter wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten diskutiert und entschieden wird. Dieser Ansatz vernachlässigt oft Gerechtigkeitsansprüche, wie die Anerkennung von Randgruppen und die (Um-)Verteilung von Kosten und Nutzen des Übergangsprozesses. Außerdem betonen viele Akteure die Notwendigkeit, Menschen und gesellschaftliche Gruppen zu begünstigen, die in der Vergangenheit unterdrückt wurden. Genannt werden in der Publikation beispielsweise Menschen in Regionen, in denen die Energiewirtschaft eine große Rolle spielt, Arbeiter*innen aus der Energiewirtschaft und Frauen* of Colour genannt. Auch die Notwendigkeit, intersektionale Unterdrückungen zu berücksichtigen, wenn es darum geht, wer von einem wirklich gerechten Übergang profitieren sollte, wurde von verschiedenen Akteuren in Deutschland und Brasilien angemerkt.
Die Publikation wurde durch die Unterstützung der IASS-Fellow-Abteilung, die kreativen Design- und Illustrationsfähigkeiten von Sabine Zentek, die sorgfältige Überprüfung und Übersetzung von Carlotta Nwajide und die Teilnahme der untersuchten Akteure an der Umfrage ermöglicht.
[1] Im deutschen Kontext gibt es unterschiedliche Verwendungen des Begriffs Just Transition. In dieser Publikation haben wir uns entschieden, ihn entweder im englischen Original zu belassen oder ihn als gerechten Übergang, gerechten Strukturwandel oder gerechte Energiewende zu übersetzen, je nachdem, wie sich die Akteur*innen darauf beziehen.