Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Was Kommunen brauchen, um Konflikte zu meistern

20.12.2023

Innovative Bürgerbeteiligung wird in Coesfeld immer wieder eingesetzt, wie hier im Rahmen des Projekts LOSLAND (www.losland.org).
Innovative Bürgerbeteiligung wird in Coesfeld immer wieder eingesetzt, wie hier im Rahmen des Projekts LOSLAND (www.losland.org).

In diesem Jahr hat die Bundesregierung die Neufassung des Klimaschutzgesetzes auf den Weg gebracht. Bis 2030 sollen die Emissionen gegenüber 1990 um 65 Prozent sinken, bis 2045 muss Treibhausgasneutralität erreicht werden. Maßnahmen für die Umsetzung dieser Ziele fallen häufig in kommunale Verantwortung, vor allem bei der Infrastruktur. Die Umsetzung in den Kommunen birgt große Herausforderungen und stößt immer wieder auch auf Widerstände. 

Gerade auf kommunaler Ebene sind also die passenden kommunikativen Kompetenzen gefragt, um den Transformationsprozess konstruktiv zu begleiten. Dazu gehört es zum Beispiel, zwischen verschiedenen Interessen zu vermitteln, Konflikte zu schlichten oder Verständigung zwischen unterschiedlich Betroffenen zu schaffen. Doch dafür fehlen zum einen häufig finanzielle und personelle Ressourcen. Zum anderen fehlt bei politischen Entscheidungsträger*innen das Bewusstsein für die Relevanz dieser Kompetenzen. Kosten aber, die entstehen, wenn Transformationsprozesse gebremst werden oder sogar misslingen, münden zeitverzögert in Politikverdrossenheit. Gerade das Vertrauen in die Gestaltungskompetenz der Transformation ist jedoch für eine Demokratie von entscheidender Bedeutung. 

In einer von demokratischen Werten geprägten Gesellschaft gehört das Ringen um das beste Argument dazu. Wir brauchen eine Übereinkunft aller Beteiligten, gemeinsam den Transformationsprozess konstruktiv und unter Nutzung ihrer verschiedenen Kompetenzen zu gestalten. Das heißt auch, Spannungen und Widerstände als produktiven Modus für Transformation verstehen zu lernen.

Im Zuge der Transformation verändern sich sowohl die Zugänge zu Ressourcen als auch die Beziehungen zwischen Bund und Land, Land und Kommunen, vor allem aber auch innerhalb der Kommunen. Das führt zu Spannungen, und können diese Spannungen nicht aufgelöst werden, weben sie sich als Widerstand in den nur gemeinschaftlich zu meisternden Transformationsprozess ein. Die Suche nach einer gemeinsam getragenen Lösung wird erschwert, die Beharrungskräfte, mit denen gerade Verwaltungen konfrontiert sind, wachsen. 

Doch was, wenn in der Diskussion über diese Spannungen Argumente nicht mehr im Fokus stehen? Wenn Emotionen beginnen die Oberhand zu gewinnen? Die Herausforderungen der Transformation werden sich nicht mit wissenschaftlichen Daten allein lösen lassen. Veränderungen sind immer auch mit Gefühlen assoziiert, die nur dann konstruktiv genutzt zu werden können, wenn kompetent mit ihnen umgegangen wird. Emotionen beeinflussen die Art und Weise, wie wir Argumente und Fakten verarbeiten, wie sich die Gratwanderung zwischen „Gefühlte[n] Wahrheiten“ und wissenschaftlichen Fakten gestaltet. Der Druck, Lösungen für die drohende Klimakatastrophe zu finden, wächst – und damit sind wir herausgefordert, neben Argumenten auch Emotionen zu thematisieren.

Diese Dynamiken erschweren die Arbeit vor Ort, denn als kleinste staatliche Einheit ist der kommunale Raum der direkte Erfahrungsraum von Bürger*innen, hier wird Wandel konkret erlebt und Gesellschaft immer wieder neu ausgehandelt. Erschwerend kommt hinzu, dass kommunal Beschäftigte in ihren Kommunen auch privat verankert sind. Gleichzeitig fehlt es hier häufig an Ressourcen, um die lokalen Bedarfe nach Transparenz, Information, Dialog bis hin zu Konfliktklärung allparteilich zu begleiten. Studien und aktuelle Forschungsvorhaben wie LOKONET betonen daher, wie wichtig es ist, gerade in lokalen Planungsprozessen, etwa dem Windkraftausbau, der Bearbeitung von Emotionen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Zum Beispiel können lokale Entscheidungsträger*innen im Umgang mit populistischen Narrativen geschult und kommunale Foren für eine faire Streitkultur geschaffen werden.

Wenn Transformation in Kommunen konstruktiv gestaltet werden soll, dann braucht es einerseits Strukturen, die Kommunen darin unterstützen, eine an die lokalen Herausforderungen angepasste Prozessbegleitung zu entwickeln und umzusetzen. Andererseits brauchen wir ein gesellschaftliches Umdenken, wie relevant kommunikative Fähigkeiten und Prozessbegleitung für die Umsetzung einer erfolgreichen Transformation sind. Kommunikative Kernkompetenzen werden jedoch bisher nicht ausreichend gefördert und gestärkt, um viel mehr Menschen zu ermutigen, diese Kompetenzen in Transformationsprozessen einzusetzen. Weder auf dem Weg ins Parlament noch in der wissenschaftlichen Ausbildung oder während des Aufbaus eines Unternehmens werden kommunikative Stärken gefördert. 

Fallbeispiel Coesfeld

In Coesfeld ist es innerhalb kurzer Zeit gelungen, doppelt so viel Windenergie zu produzieren, wie die Gemeinde selbst verbraucht. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor war die sehr frühe und glaubwürdige Beteiligung der Bevölkerung durch Information, Dialog und Konfliktbearbeitung. Anlass für mehr Kommunikation ist jedoch nicht nur der Windpark. Vielmehr hat sich Eliza Diekmann mit dem Ziel zur Bürgermeisterin wählen lassen, für Transparenz und offene Kommunikation einzustehen. Seit 2020 schafft sie über die rechtlich vorgeschriebenen Beteiligungsformate hinaus dialogische Formate, die vielfältige Bevölkerungsgruppen auf unterschiedlichen Sach- und Emotionsebenen abholen: Onlineangebote, Stadtdialoge, Sprechstunden oder Townhalls als Projektschmieden, in denen Menschen eigene Ideen einbringen können. Die Transparenz zwischen Bürger*innen, Verwaltung und Politik wurde in Coesfeld gestärkt. 

Dialogoffenheit erfordert jedoch auch die Bereitschaft zu mehr Transparenz, was wiederum auch kritische und schwierige Themen sichtbar werden lässt. Dialoge lassen manche Konflikte zu Tage treten, die bisher im Unsichtbaren geschwelt haben. Das erfordert die Kompetenz, diese konstruktiv aufzunehmen und zu bearbeiten, damit die gemeinsam gefundenen Lösungen akzeptiert werden. 

Unser Fazit:

Ein bisher unterschätztes Element im Transformationsprozess ist eine konstruktive Kommunikation.

Um diese Kompetenz stärker in Transformationsprozesse einzubinden und sie wirksam werden zu lassen, bräuchte es sowohl Strukturen, auf die Kommunen für eine Prozessbegleitung unbürokratisch zugreifen können, als auch ein neues Kommunikationsbewusstsein, verbunden mit der strukturellen und finanziellen Anerkennung von Kommunikationsleistung. 

In Baden-Württemberg gibt es mit dem Forum Energiedialog ein von der Landesregierung initiiertes und finanziertes Format, das diesem Anspruch gerecht wird und bereits zahlreiche Kommunen bei der konfliktreichen Entscheidung, ob Wind-, Solar-, Wasserkraft oder Geothermie eine kommunale Option sein könnte, allparteilich unterstützt hat. Das Format wird vom Land finanziert, die Prozessbegleitung findet durch einen externen Auftragnehmer statt. Dadurch wird eine zur Konfliktbearbeitung unverzichtbare Allparteilichkeit sichergestellt. Kommunen können sich an das Forum bzw. die ausführenden Auftragnehmer wenden, ohne ein kompliziertes Ausschreibungs- oder Bewerbungsverfahren zu durchlaufen. Ein ähnliches Modell wäre auch für andere Bundesländer ein Ansatzpunkt, um die Kommunen in dieser Hinsicht stärker zu entlasten.

Konstruktive Kommunikation zu ermöglichen, ist ein zentrales Erfolgskriterium für das Gelingen von Transformation. Jeder Mensch, der sich darin weiterbilden oder bereits erworbene Kompetenzen anwenden möchte, sollte gestärkt und gefördert werden. Solange der Wert dieser Kompetenzen nicht gesehen wird, kann das vorhandene Potential nicht wirklich transformativ wirksam werden. 

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