Nicht die Hoffnung verlieren zwischen Trump, deutschem Regierungschaos und Weltklima!
18.11.2024
Vielleicht war es für Klima-Politikwissenschaftler:innen noch nie so schwer, nicht in absolutem Pessimismus zu versinken, wie jetzt, im November 2024. Hiobsbotschaften gibt es mittlerweile nicht nur über den voranschreitenden Klimawandel mit Naturkatastrophen auf der ganzen Welt. Diesen Entwicklungen zum Trotz finden immer mehr Menschen Gehör, die sich dem klimapolitischen Handeln verschließen oder ihm gar entgegenwirken. Weltweit sind populistische Regierungen und Bewegungen am Aufblühen. Besonders fatal ist sicherlich die Wiederwahl Donald Trumps in den USA. Kaum hat es der noch amtierende Präsident Biden geschafft, den internationalen Vertrauensverlust wieder aufzufangen, etwa durch Klima-Finanzversprechen oder seine ambitionierte Klimaschutz- Gesetzesinitiative (Inflation Reduktion Act), ruft die Wahl Trumps erneut weltweit Unsicherheit hervor.
Bereits während des Wahlkampfs konnte man diverse Versprechungen – oder Drohungen – mit großen Auswirkungen auf den Klimaschutz von Donald Trump hören. Vornean steht zum Auftakt der Weltklimakonferenz COP 29 in Baku Trumps Ankündigung des erneuten Austritts aus dem Pariser Klimaabkommen und möglicherweise sogar ganz aus der Klimarahmenrechtskonvention (UNFCCC). Dieses Mal wird er das Pariser Abkommen relativ schnell verlassen können, nämlich bereits im Januar 2026. Zuvor konnte der Austritt erst wenige Tage vor dem Ende von Trumps erster Amtszeit realisiert werden, weil der Vertrag eine Austrittserklärung erst drei Jahre nach seinem Inkrafttreten (2016) sowie eine einjährige Prozedur vorsieht.
Ein Austritt aus der Klimarahmenrechtskonvention dürfte sich etwas schwieriger gestalten, da hier wahrscheinlich eine Entscheidung der amerikanischen Legislative nötig ist. Und vielleicht möchte sich auch eine Trump-Regierung nicht völlig die Möglichkeit der Einflussnahme auf die globale Klimapolitik verwehren: Nicht-Mitglieder dürfen an sämtlichen Verhandlungen nicht mehr teilnehmen. Für die COP 29 in Baku hat Trumps Wahl jedoch bereits das Signal gesendet, dass hier ein Führungsvakuum entsteht, vor allem aber, dass es noch viel schwieriger wird, sich auf das zentrale Thema der Klimafinanzierung und ein neues weltweites Finanzierungsziel (New Collective Quantitative Goal – NCQG) zu einigen.
Innenpolitischer Rückschritt
Innenpolitisch kann Trump in den nächsten vier Jahren nachhaltig Schaden anrichten. Er hat bereits angekündigt, Bidens Inflation Reduction Act zu stoppen und die Mittel, die etwa zur Förderung grüner Technologien oder der Elektromobilität vorgesehen sind, zu streichen. Er möchte die USA wieder in ein Zeitalter der fossilen Energien zurückführen und setzt auf ein Narrativ der Energiedominanz, der Unabhängigkeit und Expansion der (vor allem fossilen) amerikanischen Energieproduktion: "Drill, baby, drill" - wie bereits zu beobachten während seiner ersten Amtsperiode (siehe IP-Artikel 2019: Großer Bremser USA). Aber auch Investitionen in fossile Infrastruktur wie Pipelines oder Bohrgenehmigungen deuten auf einen langfristigen Lock-in der USA hin. Das Newsportal Carbon Brief geht von möglichen zusätzlichen 4 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten an Emissionen und einem drastischen Verfehlen der amerikanischen Klimaziele unter Trump aus. Unter ihm werden die Emissionen bis 2030 voraussichtlich nur um 28% anstatt der angestrebten 50-52% sinken.
Angriff auf die Wissenschaft
Erschwerend hinzu kommt dieses Mal, dass Trumps Republikanische Partei in beiden Häusern des US-Kongresses eine Mehrheit besitzt und so einfacher Gesetze verabschieden kann, und dass er es während seiner letzten Amtszeit schaffte, viele Richterpositionen im Land mit ihm loyalen Personen zu besetzen (drei davon im höchsten Gericht, dem Supreme Court). Anderseits haben sein Führungs- und Kommunikationsstil uns auch bereits gelehrt, wie schwierig es ist vorherzusagen, was Trump als Präsident wirklich tun wird und welche Interessen sich letztendlich durchsetzen.
Vielen Klimawissenschaftler:innen jagen aber weitere Pläne – oder sind es Gerüchte? – noch mehr Angst ein. Anfang des Jahres 2024 veröffentlichte einer der prominentesten rechtskonservativen Think Tanks, zu dem bekanntermaßen viele Berater aus Trumps letzter Amtszeit gehören, nämlich die Heritage Foundation, eine Vorschlagsliste mit Maßnahmen. Unter ihnen befindet sich etwa die Abschaffung der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), die Wettervorhersagen macht und den Klimawandel untersucht. Trump will außerdem die amerikanische Umweltbehörde beschränken und umstrukturieren. Aber auch geopolitische Ankündigungen wie das Entziehen der Finanzhilfen für die Ukraine oder weitere Zölle werden einen Effekt auf die Klimapolitik haben, wenn die EU das entstehende Finanzierungsvakuum ausgleicht oder in neue Handelskonflikte mit den USA einsteigt. Ein Beispiel wären hier die Wiedereinsetzung von Zöllen auf Stahl und Aluminium, welche die Biden-Regierung gemeinsam mit der EU in ein Abkommen für nachhaltigen Stahl umwandeln wollte. Es ist klar, Trumps Wahl bedeutet einen Rückschritt für die globale Klimapolitik.
Auch in Deutschland fällt Optimismus schwer
Leider hat auch Europa, und vielleicht besonders Deutschland, derzeit wenig anzubieten. Noch vor drei Jahren fanden sich auf den Wahlplakaten aller demokratischen Parteien „Pro-Klima“-Slogans. Von denen ist heute nichts mehr zu spüren. Klimapolitische Themen erweisen sich als Sprengkraft der politischen Zusammenarbeit und eine zunehmende Polarisierung hält die Transformation im Stillstand. Angesichts von Vorschlägen, die Klimaneutralität zu vergessen oder einem wahrscheinlichen Kanzler Merz, der von Windrädern sagt, sie seien hässlich und eine Übergangstechnologie, die man durch den Einsatz von Kernfusion (siehe Polit-Talk im ZDF 7.11.2024 mit Maybrit Illner) ersetzen könne, fällt einem auch hierzulande der nötige Optimismus schwer. Solche Töne klingen schon fast wie in den USA, vor allem aber sind sie gefährlich, weil sie davon ausgehen, die Gesellschaft sei zu dumm, um kluge Zukunftsentscheidungen zu treffen. Klimaschutz hat an politischer Priorität verloren. Wir blicken nicht nur auf mindestens ein kommendes halbes Jahr politischen Stillstands, sondern stehen vor dem Risiko, die jetzt notwendigen Investitionen in eine nachhaltige Zukunftsorientierung unserer Wirtschaft zu verpassen.
“There will be chaos and mayhem, but the climate movement will be defiant and continue fighting” Tasneem Essop 6.11.2024 (Pressemitteilung CAN International)
Was kann uns dennoch Hoffnung machen und eine Klimapolitik-Wissenschaftlerin nicht den Kopf in den Sand stecken lassen?
Wichtig ist zunächst, dass unsere Welt nicht mehr da steht, wo wir vor noch während Trumps letzter Amtszeit standen. In grüne Technologien und Energieformen ist mittlerweile viel mehr Kapital investiert worden, viele Arbeitsplatze hängen von ihnen ab und, in anderen Worten, Menschen machen Geld damit. Das heißt, hier hat sich eine neue Interessengemeinschaft gebildet, die den Transformationspfad aus ökonomischen Gründen weitergehen wird. Menschen, deren Jobs von erneuerbaren Energien oder grünen Technologien wie Netto-Null-Stahl abhängen, werden es nicht nur Regierungen wie der Trumps erschweren, den Fortschritt wieder rückgängig zu machen. Viele Unternehmen und Banken haben erkannt, dass der Klimawandel ein Sicherheitsrisiko (und Versicherungsrisiko) darstellt.
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat uns in eine Energiekrise gestürzt, er hat uns aber auch gelehrt, wie gefährlich einseitige Abhängigkeit von Energieimporten ist. China dominiert zwar viele Dekarbonisierungstechnologien-Lieferketten, das heißt aber auch, dass dort enorm viel in „grünes Wachstum“ investiert wurde. Bereits die ersten Tage der Weltklimakonferenz in Baku haben gezeigt, dass China ein gewisses Interesse daran hat, hier eine globale Führungsposition einzunehmen. Letztendlich wächst mit zunehmendem Klimawandel der Leidensdruck und bewegt unsere Gesellschaft hoffentlich mehr dazu, Klimaschutz von unseren Regierungen einzufordern. Und vielleicht findet ja auch hierzulande der zukünftige Kanzler dann, dass Atomkraftwerke, Kohlekraftwerke und Autobahnen auch „hässlich“ (und schädlich für Klima, Gesundheit, …) sind und wir erleben mehr Lösungen als die bisherige politische Blockadehaltung.