Wasser-Ökopolitik bei der Berlin Science Week
03.01.2025
Ein frischer Herbstabend in Berlin bildete den Rahmen für die Podiumsdiskussion "Ecopolitics traversing Waterbodies: tales and epistemologies influencing water governance" bei der Berlin Science Week 2024. In den letzten drei Jahren hat die Forschungsgruppe Ökopolitik und gerechte Transformation (EcoPol) diese Veranstaltungsreihe genutzt, um verschiedene ökopolitische Dimensionen von Gemeingütern zu untersuchen. Diesmal führten ich, Tau Samper (EcoPol, RIFS), Shyam Wuppuluri (Fellow, RIFS), Jenny García Ruales („Amazon of Rights“-Projekt, Max-Planck-Institut für Sozialanthropologie) und Şermin Güven (Assoziiertes Mitglied der Katastrophenforschungsstelle FU-Berlin) die von Elisabeth Weydt moderierte Diskussion im Berliner Museum für Naturkunde.
Ich konzipierte und organisierte die Veranstaltung und stellte dabei Narrative über die Governance von Wasser in den Vordergrund, die in den hegemonialen Wissenssystemen oft ausgelöscht und abgewertet werden. Die Veranstaltung umfasste eine partizipatorische Schreibübung, bei der das Publikum eingeladen war, sich an der Diskussion auf der Bühne zu beteiligen. Die Teilnehmenden wurden aufgefordert, eine oder mehrere Zeilen zu schreiben, in denen sie ihre eigene Beziehung zu Gewässern beschreiben. So entstand ein kollektiver Text. Die Übung erweckte das Thema der Podiumsdiskussion zum Leben: Wir bauen gemeinsam Narrative auf, beeinflussen uns gegenseitig und fügen einzelne Handlungen zu einem komplexen Ganzen zusammen.
...Like the tides come and go - Waves tell us stories of places close and far
Full of colours, fishes, and life. With my boat I plan to cross the ocean to
Breath the salty air, feel the spray on my skin and connect to where we all come from originally
I look at my hand and with the other I touch, I open them, my palms are wet…
Wasser ist für das Leben auf der Erde von entscheidender Bedeutung und spielt eine wichtige Rolle für die Prozesse im Erdsystem, insbesondere bei der Klimaregulierung. Im Laufe der Geschichte war die Ökopolitik der Gewässer von zentraler Bedeutung für die menschlichen Gesellschaften und hatte direkte Auswirkungen auf ihre Wirtschaft, ihre Technologien, ihr Überleben, ihren Wohlstand und ihre kulturellen Überzeugungen. Darüber hinaus sind Gewässer auf eine komplexe Weise, die von der modernen Wissenschaft noch nicht verstanden wird, mit unserem emotionalen und geistigen Wohlbefinden verbunden. Klimawandel, Übernutzung und Verschmutzung beeinträchtigen die Verfügbarkeit und die Qualität von Wasserressourcen. Das geht mit verstärkten politischen Auseinandersetzungen über ihre Nutzung und Kontrolle einher. Eine wirksame Wasserpolitik für eine nachhaltige und gerechte Governance muss Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, Forschende, die Industrie, die Zivilgesellschaft, Landwirtinnen und Landwirte und indigene Organisationen sowie andere Akteure auf internationaler und lokaler Ebene einbeziehen.
Wie können unterschiedliche Interessen miteinander in Einklang gebracht werden? Wie werden sie durch kulturelle und politische Narrative geprägt? Könnte ein dekolonialer Ansatz diese Epistemologien beeinflussen? Wessen Narrative bzw. welche Arten von Narrativen wurden systematisch übersehen und von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen? Welchen Wert hat das Aufzeigen von übersehenem Wissen, und wie könnte es unser Verständnis von nachhaltigem Regieren erweitern? Dies waren einige der Fragen, die das Panel inspirierten. Wir luden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Kommunikatorinnen und Kommunikatoren ein, an diesem Gespräch teilzunehmen, und ermutigten sie, in Form von Erzählungen zu den Zuhörenden zu sprechen und dabei auf Erfahrungen aus ihrem Leben und ihrer Forschung zurückzugreifen.
Wasser: Ein lebendiger Spiegel des menschlichen Handelns
Von den Flüssen Indiens bis hin zu den lebenswichtigen Wasserstraßen Mesopotamiens und Ecuadors sind die Geschichten des Wassers mit unserer Beziehung zur Umwelt, zur Regierungsführung und zueinander verwoben. Shyam Wuppuluri sprach darüber, wie in Teilen Indiens manche Menschen Flüsse als lebendige Wesen und Lebensspender betrachten, die man schätzt und mit Respekt und Hoffnung als Teil einer gemeinsamen Existenz anspricht. Moderne, von der Trennung zwischen Subjekt und Objekt geprägte Erzählungen haben die Menschen jedoch von der Natur entfernt und damit die Grundlage für eine ausbeuterische Beziehung geschaffen. In Ecuador erzählen die Flüsse nicht nur vom Leben, sondern auch von Verschmutzung und schrecklichen Dürreperioden. Dennoch fließt ihr Wasser, nimmt die Folgen menschlichen Handelns auf, trägt sie weiter und macht sie greifbar. Jenny García Ruales berichtete von einem aktuellen Fall in Quito, Ecuador, bei dem Umweltaktivistinnen und -aktivisten ein Glas mit dem verschmutzten Wasser des Río Machángara zu einem Gerichtsprozess brachten, um das Recht des Flusses einzufordern. Diese Gerichtsverfahren veranschaulichen, wie das in der ecuadorianischen Verfassung verankerte Konzept der Gewährung von Rechten an der Natur die Möglichkeit bietet, den Rahmen für die Governance neu zu denken.
Klimawandel, Konflikte und die Nutzung des Wassers als Waffe
Euphrat und Tigris haben das Leben in der Region Mesopotamien lange Zeit aufrechterhalten. Diese lebensspendenden Flüsse, die in der Osttürkei/Nordkurdistan entspringen und durch Kurdistan fließen, sind stark bedroht. Der Klimawandel und menschliche Aktivitäten verursachen beispiellose Dürreperioden, die die Verbindungen zwischen den kleinen Flüssen und ihren Hauptquellen unterbrechen. Die Analyse von Şermin Güven kombinierte Niederschlags- und Temperaturdaten mit Erkenntnissen aus Gesprächen mit örtlichen Landwirten und zeigte, dass Dürreereignisse früher nur einmal alle 250 Jahre auftraten. Da die globale Durchschnittstemperatur jetzt jedoch 1,2 °C über dem vorindustriellen Niveau liegt, ist die Wahrscheinlichkeit stark angestiegen, auf mehr als ein Ereignis pro Jahrzehnt. Bei einem Anstieg der globalen Temperaturen um 2 °C könnten diese Dürren sogar alle fünf Jahre oder noch häufiger auftreten. In einigen Gebieten dieser Region wird die Wasserknappheit durch menschliche Misswirtschaft und Militarisierung noch verschärft. In Gebieten wie Rojava, das von der extremen Dürre im Jahr 2021 stark betroffen war, ist die Verfügbarkeit von Wasser nicht nur eine Frage des Klimas, sondern auch ein Instrument der Unterwerfung. Die zunehmende Kontrolle der türkischen Regierung über Wasserwerke und andere wichtige Infrastrukturen zeigt, wie Wasserknappheit in Konfliktgebieten zu einer Waffe werden kann.
Indigenes Wissen und relationale Weisheit
Indigene Traditionen auf der ganzen Welt bieten alternative Erkenntnistheorien, die oft auf dem Geschichtenerzählen und der engen Verbindung zur Umwelt beruhen. „In diesen Kontexten wurde Wissen als Mittel zum Aufbau von Beziehungen – mit der Natur, untereinander und mit dem Kosmos – genutzt, und nicht zur Wissensakkumulation“, sagte Shyam Wuppuluri. Die westliche Sprache und Erkenntnistheorie verstärken oft die Trennung von Mensch und Natur, indem sie das Individuum, die menschliche Spezies und die wissenschaftliche Forschung an die Spitze einer hierarchischen Pyramide stellen, wobei die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von ihren Studienobjekten distanziert sind und „Wissen kidnappen“, anstatt sich auf gegenseitige Beziehungen einzulassen, wie Şermin Güven sagte. In unserem postkolonialen globalen Szenario wird das Wissen, das uns an die verflochtene Ganzheit erinnert, oft ausgegrenzt. Vertreter und Experten indigener Völker werden oft als Alibi genutzt, anstatt als gleichberechtigte und wichtige Stimmen in wissenschaftliche Diskussionen und internationale politische Entscheidungen einbezogen zu werden.
Verantwortung im Anthropozän
Das Konzept des Anthropozäns rückt den Menschen in den Mittelpunkt des ökologischen Wandels und fordert Rechenschaft für die von uns verursachten Krisen. Der Klimawandel hat Wasserknappheit, Umweltverschmutzung und Konflikte verschärft, bietet aber auch die Möglichkeit, unsere Rolle im Streben nach einer nachhaltigen Transformation zu überdenken. Wir Menschen haben die Verantwortung, unsere Stimme zu erheben, doch das globale Schweigen über die Verknüpfung von Umweltzerstörung, staatlicher Gewalt und Ausbeutung hält an, wie Şermin Güven feststellte. Dieses Schweigen regt zu kritischer Reflexion an. Was bedeutet es zum Beispiel für gefährdete Bevölkerungsgruppen, wenn Kriegsparteien Wasserknappheit als Waffe einsetzen? Wie kann die Weltgemeinschaft die sich gegenseitig verstärkenden Krisen des Klimawandels und der Konflikte angehen und dabei politische Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit für die am stärksten Betroffenen sicherstellen? Das Wasser floss lange bevor geopolitische Grenzen und Kontrollpunkte entstanden. Von den verehrten Flüssen Indiens bis zu den Gerichten Ecuadors, den widerstandsfähigen Ebenen Kurdistans und den Wasseradern Deutschlands ist die Botschaft klar: Die Gesundheit unserer Gewässer spiegelt die Gesundheit unserer Beziehungen wider - zueinander und zur Erde; Beziehungen, für die wir gemeinsam verantwortlich sind.
Die Möglichkeit der Co-Vision von Erzählungen
Der von 23 Teilnehmenden aus dem Publikum mitproduzierte Text bietet einen wertvollen Einblick in die Macht der verschiedenen Stimmen, die unerwartete Assoziationen und alternative Perspektiven aufzeigen. Jeder Teilnehmer, jede Teilnehmerin konnte den Satz seines Vorgängers lesen und darauf reagieren, wodurch eine wechselseitige Erzählung partizipativer Poetik entstand.
Water is life, my life, our life, let´s be a river
All is water and vibrating, we vibrate together, our stories intertwining to make our realityWe are bringing together knowledge of all the bodies of water, rivers, lakes, and oceans we have seen and interacted with
Like the tides come and go - Waves tell us stories of places close and far
Full of colours, fishes, and life. With my boat I plan to cross the ocean to
Breath the salty air, feel the spray on my skin and connect to where we all come from originally
I look at my hand and with the other I touch, I open them, my palms are wet
Again I put my hands together, touching each other, they form a bowl;
I use them to take water from the river
I take a sip of water. I can tell, immediately, the water, despite being cold and refreshing, is not clean. But I am thirsty and drink. I must, if I don´t want to be severely dehydrated. I think about
any illnesses the water from the river can bring. I am worried, of course, and I think about how this pollution will affect the animals who inhabit the water and depend upon it
I am very aware of and interested in algal blooms. They can release toxins that cause massive die-offs in coastal areas. They can also affect people or animals that swim in the water during these blooms
But as a human, I wish the only harmful thing we had in coastal areas was algae, not humans creating pollution. I feel like
the divide between the water in my body and the water in front of me would blur. I wish I could see myself in that flow, without trying to understand it, to kidnap it. Just as a way of flowing in life, of having life in the centre
Water is all around us and our ways of living are deeply integrated with the water. It becomes a subconscious dependency
It shows in our sense of what is important, what causes us to be anxious or afraid. In that way, there is a mutuality between the natural environment and us, whether we are aware of it or not
And I just want to jump in, dive deep and drink a lot!
Me too! I want to dive deep and enjoy the silence underwater
Rivers are more than a source for breaking thirst. They share stories with us
Rivers share stories with us and our lives can be as a river flow
And the stories rivers tell are silent and you should be still to hear it
How we look at waterbodies as entities when we are so far from them in our everyday lives? And not only waters, forests and mountains...
All bodies confluent in heart to be one with the global river system.