Biotreibstoffe sollten keine Förderung mehr erhalten
18.09.2017
Energiepolitik
Moderne Biotreibstoffe können dabei helfen, unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu werden. Viele Wissenschaftler und Politiker, darunter der Weltklimarat IPCC und die Bundesregierung, sehen sie daher als wichtiges Mittel auf dem Weg zu einer klimafreundlicheren Energieversorgung. Tatsächlich fällt die bisherige Bilanz der Produktion von Biotreibstoffen jedoch durchwachsen aus, wie eine Sonderausgabe der Zeitschrift Energy Policy deutlich macht.
Die Veröffentlichung mit dem Titel „Scaling up Biofuels? A Critical Look at Expectations, Performance and Governance“ wirft einen kritischen Blick auf den Nutzen von Biotreibstoffen: Trägt der Ausbau der Bioenergie zur Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen bei? Schafft er hochwertige Arbeitsplätze? Fördert er die ländliche Entwicklung? Wie gehen Akteure aus Politik und Zivilgesellschaft mit Risiken um? Aus ihren Analysen leiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Empfehlungen für einen „ethischeren Ansatz für die Planung und Umsetzung nationaler Biotreibstoff-Programme“ ab.
Bioenergie-Programme blenden oft negative Folgen aus
Der Nachbesserungsbedarf sei weltweit hoch, sagt Mitherausgeberin Ariane Götz vom IASS: „Staatliche und private Steuerungsmechanismen in den untersuchten Ländern reichen nicht aus, um für einen wirksamen Naturschutz und den Erhalt der Biodiversität zu sorgen, Landkonflikte zu vermeiden und die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort zu verbessern. Dies gilt nicht nur für die Hauptproduzenten: Auch die Konsumentenländer von Biotreibstoffen sollten auf eine strenge Zertifizierung hinwirken und ihren Bedarf senken. “ Oft fehlt ein ganzheitlicher Ansatz, wie Götz mit Laura German (University of Georgia), Carol Hunsberger (Western University) und Oscar Schmidt (IASS) in einem Beitrag deutlich macht. Viele Programme seien auf einzelne Aspekte wie Energiesicherheit oder Wirtschaftswachstum fokussiert. Negative Folgen, etwa für die Artenvielfalt und die Sozialstrukturen im ländlichen Raum, blendeten sie aus.
Studien berechnen mögliche CO2-Emissionsminderungen fehlerhaft
Dass Politikerinnen und Politiker in vielen Ländern der Bioenergie eine prominente Rolle in ihren Nachhaltigkeitsstrategien zugewiesen haben, liegt unter anderem an wissenschaftlichen Studien, die ihr großes Potenzial zuschreiben. In einer Analyse dieser Studien kommen Timothy D. Searchinger (Princeton University), Tim Beringer (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) und Asa Strong (World Resources Institute) zu dem Ergebnis, dass diese Studien nur das Einsparungspotenzial von Treibhausgasen, aber nicht die Kosten der Landnutzung für Biotreibstoffe in ihre Rechnung einbezogen haben.
Beispielsweise ließen gängige CO2-Einsparungsberechnungen außer Acht, dass Landnutzungsänderungen zur Produktion von Bioenergie immer auch im Boden oder in den Pflanzen gespeichertes CO2 freisetzen. Die Funktion des Bodens als Kohlenstoffspeicher gehe somit verloren. Zudem ignorierten die Berechnungen die Emissionen beim Verbrennen von Biomasse. Dass die Möglichkeit verlorengeht, den Boden für den Anbau von Nahrungsmitteln zu nutzen, müsse als weiterer Kostenfaktor einkalkuliert werden.
Die fehlerhafte Berechnung macht laut der Autorin und den Autoren die Notwendigkeit deutlich, Alternativen in den Blick zu nehmen: „Auf 73 Prozent der Flächen weltweit produziert Photovoltaik mindestens hundertmal mehr nutzbare Energie pro Hektar“, schreiben sie. Wenn zusätzliche Flächen für Solarenergie genutzt würden statt für den Anbau von Energiepflanzen, sei dies ein erheblicher Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels.
Politik soll Reduzierung des Energie-Verbrauchs in den Blick nehmen
In ihrer Zusammenfassung der Ergebnisse formulieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Empfehlung, dass die Politik die Erzeugung von Bioenergie aus Energiepflanzen nicht länger fördern solle. Angesichts der schwachen Bilanz raten sie Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern, nicht nur beim Ausbau der erneuerbaren Energien neue Wege zu gehen, sondern auch einen Schritt zurückzutreten und auf eine Reduzierung der Energie-Nachfrage hinzuwirken. Wo dennoch neue Bioenergie-Programme entstehen, sei ein „adaptiver und kollaborativer Ansatz“ erfolgversprechend. Dabei bringen sich verschiedene Akteure mit ihren unterschiedlichen Interessen ein und die Planer passen den Prozess immer wieder an neue Erkenntnisse an.
Götz, A., German, L., Weigelt, J. (2017 online): Scaling up biofuels? A critical look at expectations, performance and governance. - Energy Policy.
DOI: http://doi.org/10.1016/j.enpol.2017.05.004