Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Folgekosten der Braunkohle – wer zahlt? Empfehlungen an die Politik

14.11.2018

Die Zeit der deutschen Braunkohletagebaue geht zu Ende, so viel steht fest. Die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission hat nun die Aufgabe, einen Plan zur Realisierung des Ausstiegs zu entwickeln. Ein in diesem Zusammenhang unterbelichtetes Thema ist die Finanzierung der Wiedernutzbarmachung der Braunkohletagebaue. Ein IASS Discussion Paper untersucht die Risiken der derzeitigen Finanzierungspraxis und macht konkrete Änderungsvorschläge.

Wo die Braunkohle-Förderung beendet ist, bleiben riesige Krater zurück. Diese werden meist mit Wasser gefüllt oder entwickeln sich durch Grundwasseranstieg und Niederschlag selbständig zu Seen.
Wo die Braunkohle-Förderung beendet ist, bleiben riesige Krater zurück. Diese werden meist mit Wasser gefüllt oder entwickeln sich durch Grundwasseranstieg und Niederschlag selbständig zu Seen.

Es wird viele Jahrzehnte dauern, die Braunkohletagebaue zu renaturieren und die Folgeschäden zu beheben. Und es wird Milliarden kosten. Wer kommt dafür auf? Nach dem Bundesberggesetz gilt das Verursacherprinzip; demnach sind die Tagebaubetreiber für die Finanzierung und Durchführung der Wiedernutzbarmachung verantwortlich. Nach derzeitiger Praxis sollen von den Betreibern zu bildende Rückstellungen sicherstellen, dass die Betreiber ihrer Verantwortung gerecht werden. Diese Praxis ist allerdings mit Risiken verbunden.

Das zentrale Problem ist, dass Rückstellungen nicht insolvenzfest sind. Wenn ein Tagebaubetreiber zahlungsunfähig wird, wird die Wiedernutzbarmachung nicht vorrangig behandelt. Dadurch könnte die öffentliche Hand gezwungen sein, Folgekosten des Braunkohletagebaus zum Schutz von Mensch und Natur zu begleichen. Eine Betreiberinsolvenz ist durch das Auslaufen der Braunkohleförderung in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten und durch die enorm langen Zeiträume der Wiedernutzbarmachung kein unrealistisches Szenario. Da auch mehrere Jahrzehnte nach dem Ende der Kohleförderung noch Folgekosten anfallen werden, ist selbst eine Insolvenz der Mutterkonzerne der Betreiber nicht auszuschließen. Nach derzeitiger Rechtslage sind diese aber ohnehin nicht gezwungen, für die Verpflichtungen ihrer Tochterunternehmen einzustehen.

Das Diskussionspapier zeigt Wege auf, wie die Ausfallrisiken reduziert werden können. So verweist es auf die Erfahrungen bei der Organisation des Kernenergieausstiegs, der eine ähnliche Finanzierungsproblematik aufwies. Hier hat die Bundesregierung durch Gesetze und Verträge mit den Energieversorgern sichergestellt, dass diese die Kosten bis zur Verpackung des Atommülls selbst tragen. Die von den Unternehmen gebildeten Rückstellungen zur Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung werden in einem öffentlich-rechtlichen Fonds gesichert.

So lässt sich das finanzielle Risiko reduzieren: Drei Empfehlungen

Empfehlung 1: Unabhängige Maßnahmen-Kosten-Aufstellung: Für jeden Tagebau müssen eigene Pläne aufgestellt werden, die Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung detailliert darlegen, inklusive Kosten, Risiken und Zeiträumen. Damit sollten der Bund und die betroffenen Länder unabhängige externe Gutachter betrauen. Der von der Kohlekommission empfohlene Ausstiegspfad ist dabei zwingend zu berücksichtigen.

Empfehlung 2: Konzernhaftung gesetzlich sicherstellen:  In Anlehnung an den Kernenergieausstieg sollte geprüft werden, ob die Nachhaftung der Mutterkonzerne für die Folgekosten der Braunkohle gesetzlich festgeschrieben werden kann. Die Konzernhaftung reduziert das Risiko einer Überschuldung und Insolvenz der Betreiber in den kommenden ein bis zwei Jahrzehnten.

Empfehlung 3: Liquide Mittel für langfristige Folgekosten in einen öffentlich-rechtlichen Fonds einzahlen: Die Auslagerung liquider Mittel für langfristige Folgekosten von den Betreibern in einen öffentlich-rechtlichen Fonds sollte auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit überprüft werden. Durch die Auslagerung der Mittel würde die öffentliche Hand dem Risiko begegnen, dass langfristig auch die Mutterkonzerne als Zahler ausfallen.

Politischer Ausblick: Bundesweite Lösung statt Einzelverhandlungen der Kohleländer

Das Mandat der Kohlekommission bietet die Möglichkeit, die finanzielle Sicherung der Wiedernutzbarmachung in die Kommissionsarbeit einzubeziehen und der Bundesregierung grundlegende Handlungsempfehlungen vorzulegen. Ein bundesweiter Rahmen könnte gegenüber tagebau- oder landesspezifischen Lösungen Vorteile in der Gleichbehandlung von Betreibern und Bürgern über Ländergrenzen hinweg bieten. Tagebauspezifische Kontexte könnten auch in diesem Fall berücksichtigt werden. Auch die Ministerpräsidenten der Braunkohleländer Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben den Bund jüngst aufgefordert, einen rechtssicheren Rahmen zu schaffen, der gewährleistet, dass sie nicht auf den Folgekosten des Tagebaus sitzen bleiben.

Der Autor, Dr. Dominik Schäuble, ist Senior Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IASS und erforscht Wege zu einer nachhaltigen Energieversorgung.

Schäuble, D. (2018): Folgekosten der Braunkohle – wer zahlt? Sicherung der finanziellen Mittel zur Wiedernutzbarmachung der Braunkohletagebaue. IASS Discussion Paper, November 2018

 

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