Meeresschutzgebiete liefern wichtige Beiträge zu UN-Nachhaltigkeitszielen
20.12.2021
Gebietsbezogene Managementmaßnahmen sind wichtige Mittel zum Schutz des Ozeans. Neben Meeresschutzgebieten gehören dazu räumliche Regulierungen für Aktivitäten wie Fischerei, Schifffahrt oder Meeresbergbau, aber auch umfassendere Ansätze wie die Meeresraumplanung. Derartige Maßnahmen können wesentlich zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) im Meer beitragen. Voraussetzungen hierfür sind aber eine bessere Abstimmung der Maßnahmen sowie eine effektive Umsetzung, stellen Forschende in einer neuen Studie mit Beteiligung des IASS fest.
Gebietsbezogene Managementmaßnahmen sind ein wesentlicher Bestandteil der globalen Bemühungen zur Erreichung des Nachhaltigkeitsziels SDG 14 der Vereinten Nationen, das dem Schutz und der nachhaltigen Nutzung des Ozeans und seiner Ressourcen gewidmet ist. Auch die globale Vereinbarung für Biodiversität, die voraussichtlich 2022 verabschiedet wird, soll das Ziel enthalten, bis zum Jahr 2030 mindestens 30 Prozent der Meeresflächen zu schützen. Es besteht also großer Klärungsbedarf, ob und wie die unterschiedlichen Maßnahmen – einzeln und in Kombination – effektiv zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Meere beitragen können. Synergien und Konflikte müssen dabei besonders berücksichtigt werden.
Viele Schutzmaßnahmen haben Synergieeffekte
Um zu verstehen, wie Meeresschutzgebiete und andere gebietsbezogene Managementmaßnahmen zur Umsetzung der Agenda 2030 und ihrer Ziele beitragen können, hat eine internationale Forschungsgruppe mit Beteiligung des IASS im Rahmen eines EU-Netzwerkprojektes, der COST Action Ocean Governance for Sustainability, Fachliteratur und Rechtsrahmen umfassend ausgewertet und die Wirkungsweise verschiedener Maßnahmen analysiert und bewertet. „Maßnahmen, die der Regulierung von Fischerei, dem Naturschutz oder der Meeresraumplanung dienen, zeigen das größte Potenzial für das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele – wenn diese denn effektiv umgesetzt und miteinander verzahnt werden “, erläutert IASS-Forschungsgruppenleiter Sebastian Unger, der als Letztautor maßgeblich an der an der Studie beteiligt war. Geleitet wurde die Studie von Elena Gissi, Wissenschaftlerin beim Institute of Marine Science, CNR ISMAR, in Italien und derzeit als Gastwissenschaftlerin an der Hopkins Marine Station der Stanford University in den USA tätig.
Zugleich macht die Studie deutlich, dass sich gebietsbezogene Schutzmaßnahmen unterschiedlich auf die Zielerreichung der einzelnen SDGs auswirken können. So sind Maßnahmen zur Regulierung von Fischereiaktivitäten neben dem Meeresschutz auch förderlich für Ziele wie die Bekämpfung von Armut (SDG 1), die Ernährungssicherung (SDG 2) oder den Klimaschutz (SDG 13). Derartige Querverbindungen werden in der Ausweisungspraxis von Schutzmaßnahmen jedoch noch zu selten berücksichtigt, so die Forschenden. Am Beispiel der Ostsee zeigen sie auf, dass Instrumente wie die unter MARPOL, dem Internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe, vorgesehenen „Speziellen Gebiete“ dazu beitragen können, dass Schifffahrt und Hafenbewirtschafter neue Umweltstandards aufnehmen und umsetzen – und damit neben dem Schutz der Meeresumwelt erheblich auch zur Innovation in der maritimen Industrie und Infrastruktur beitragen (SDG 9).
Bessere Abstimmung ist nötig
„Die Studie zeigt, dass gebietsbezogene Managementmaßnahmen im Meeresbereich für die Umsetzung der Agenda 2030 im Ganzen von großer Bedeutung sind. Es fehlt allerdings nach wie vor an integrierten und abgestimmten Ansätzen: Die Maßnahmen werden meist konkret für einen Sektor oder ein spezielles Meeresgebiet definiert und einzeln eingesetzt, ohne Abstimmung und effektives Management - was aber wichtig wäre, um wirkliche Erfolge für den Ozean und die Nachhaltigkeit insgesamt zu erzielen“, sagt Ko-Autorin Barbara Neumann, Senior Wissenschaftliche Mitarbeiterin am IASS.
Erforderlich sei aber nicht nur eine konsequente Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen regionalen und internationalen Initiativen und den verschiedenen Instrumenten. So sollten beispielsweise Meeresschutzgebiete nicht nur entlang ökologischer Kriterien wie schutzwürdige Arten oder Ökosysteme ausgewählt und zu kohärenten Netzwerken zusammengeschlossen werden. Auch Aspekte wie der gesellschaftliche und politische Kontext, die institutionellen Strukturen oder die Durchsetzbarkeit müssen berücksichtigt und adressiert werden, um das Potential gebietsbezogener Managementmaßnahmen zur Umsetzung der 2030 Agenda und ihrer Ziele einschließlich des Meeres-Ziels SDG 14 voll auszuschöpfen.
Gissi, E., Maes, F., Kyriazi, Z., Ruiz-Frau, A., Santos, C. F., Neumann, B., Quintela, A., Alves, F. L., Borg, S., Chen, W., da Luz Fernandes, M., Hadjimichael, M., Manea, E., Marques, M., Platjouw, F. M., Portman, M. E., Sousa, L. P., Bolognini, L., Flannery, W., Grati, F., Pita, C., Natașa Văidianu, Stojanov, R., van Tatenhove, J., Micheli, F., Hornidge, A.-K., Unger, S. (2022): Contributions of marine area-based management tools to the UN sustainable development goals. - Journal of cleaner production, 330, 129910.
https://doi.org/10.1016/j.jclepro.2021.129910
Kostenlos verfügbar bis 22. Januar 2022 unter: https://authors.elsevier.com/c/1eBD43QCo9bRoa
Zugehöriger Datenartikel:
Gissi, E., Maes, F., Kyriazi, Z., Ruiz-Frau, A., Santos, C. F., Neumann, B., Quintela, A., Alves, F. L., Borg, S., Chen, W., da Luz Fernandes, M., Hadjimichael, M., Manea, E., Marques, M., Platjouw, F. M., Portman, M. E., Sousa, L. P., Bolognini, L., Flannery, W., Grati, F., Pita, C., Natașa Văidianu, Stojanov, R., van Tatenhove, J., Micheli, F., Hornidge, A.-K., Unger, S. (2022): Data about marine area-based management tools to assess their contribution to the UN sustainable development goals. - Journal of Cleaner Production, Volume 330, 1 January 2022, 129910. https://doi.org/10.1016/j.dib.2021.107704