Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Mit Rentierzüchtern den Permafrostboden schützen

24.09.2024

Ein Drittel des globalen Bodenkohlenstoffs steckt in den Permafrostgebieten der Arktis, die 22 Prozent der Nordhalbkugel bedecke­n. Deshalb ist es wichtig, die Bodentemperatur niedrig und damit den Kohlenstoff im Boden zu halten. Mit diesem Thema hat sich RIFS-Fellow Torben Windirsch bislang befasst und konnte in mehreren naturwissenschaftlichen Pilotstudien belegen, dass zu Eiszeiten in der Arktis große Pflanzenfresser dazu beitrugen, den Kohlenstoff im Boden zu binden. Als Fellow am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) interessiert ihn nun, wie er dieses Forschungsergebnis an gesellschaftlich relevante Gruppen vor Ort vermitteln kann. 

Thorben Windirsch
RIFS-Fellow Torben Windirsch mag Vergleiche, um sein Thema zu veranschaulichen – so hat er ausgerechnet, dass der Hamburger Hafen rund 7000 Jahre bräuchte, um den in der Arktis gebundenen Bodenkohlenstoff in Form von Kohle zu verladen.

Ihr Forschungsgebiet sind Landnutzungsstrategien in der Arktis – können Sie das ein wenig erläutern?

Torben Windirsch: Vor dem Hintergrund, dass Permafrostböden tauen und so immer mehr Kohlenstoff mobilisiert wird, habe ich untersucht, wie sich das Weideverhalten von Tieren in der Arktis auf den Boden, die Bodentemperatur und den Kohlenstoffspeicher auswirkt. Was ich zeigen konnte ist, dass eine intensive und dichte Beweidung durch Tiere – in meinem Fall waren es Rentiere – dazu führt, dass die Temperatur gesenkt wird, Permafrostböden deutlich langsamer auftauen und der Kohlenstoff so im Boden bleibt, weil dieser nicht auftaut.  

Worauf werden Sie sich in den nächsten Monaten hier am RIFS konzentrieren? Was ist Ihr besonderes Interesse?

T.W.: Mein Ergebnis möchte ich Rentierzüchtern in Nordskandinavien an die Hand geben, damit es nicht über Politiker und deren Rechercheteams läuft, die erstmal einen Landnutzungsplan machen oder andere Nutzungsvarianten wie etwa Forstwirtschaft bevorzugen, sondern dass die Züchter selbst argumentieren können: Es ist sinnvoll, dass wir mehr Rentiere halten, denn das stabilisiert den Boden und unsere Infrastruktur sinkt nicht im tauenden Boden ein.  Es hat außerdem einen klimapositiven Effekt, indem es Kohlenstoff im Boden bindet. Deshalb wollen wir wieder Zugang zu Gebieten haben, zu denen wir vor 50 Jahren schon Zugang hatten, um dort Rentiere zu halten. Ich erforsche dabei, wie wissenschaftliche Ergebnisse in eine gesellschaftlich sinnvolle Nutzung umgewandelt werden können. 

Sie belegen in ihren Studien, dass eine Wiedereinführung hoher Tierdichten in der Tundra die Bodenabkühlung fördern würde, was die Permafrostbedingungen stabilisiert. Könnte es bald heißen vor dem Hintergrund der Bevölkerungserwartung bis 2050: Statt Insekten als Proteinquelle gibt’s öfter Rentierschnitzel? 

T.W.: Eher zusätzlich. Auch in der sich erwärmenden Arktis ist es für Insekten noch zu kalt, aber Rentiere können da sehr gut leben. In einer globalisierten Welt könnte das Rentierfleisch über den lokalen Markt hinaus - so man es denn will – bewirken, dass die Rinderzucht reduziert werden könnte. Der positive Co-Benefit wäre daran, dass Rentiere – selbst wenn wir sie im Stall halten würden – weitaus weniger CO2-Äquivalente ausstoßen als Rinder. Bei einer Weidehaltung sind das sogar 90 Prozent weniger CO2-Äquivalente pro Kilo Fleisch im Vergleich mit Rindfleisch. Allerdings benötigte man dafür eine extrem hohe Tierdichte, deshalb sollte es für begrenzte Zeiträume und Gebiete mit einer kritischen Infrastruktur wie etwa einer Pipeline zur Stabilisierung des Bodens eingesetzt werden – schlichtweg, damit es dort nicht auftaut. 

Mit welchen lokalen Partnern in der Arktis stehen Sie deswegen in Kontakt und was ist der Plan? 

T.W.: Bei Gesprächen mit Rentierhaltern stellte sich heraus, dass sie nur auf beschränktem Gebiet Rentiere halten dürfen, da manche Waldgebiete nicht mehr für Rentiere zugänglich sind, weil sie für die Fortwirtschaft vorgesehen sind. Momentan können folglich nicht mehr Tiere gehalten werden. Erst wenn mehr Gebiete für die Rentierzucht freigegeben wären, könnten mehr Tiere dort leben und ein größerer positiver Effekt fürs Klima erzielt werden.  

Wer bestimmt denn über die Gebiete?

T.W.: Die Regierungen, weshalb ich direkt das Gespräch mit Rentierzüchtern suche. Um die Konflikte um die Gebietsnutzung zu umgehen, schlage ich neben der Nutzung rund um Infrastrukturen wie Pipelines zusätzlich vor, dass Waldgebiete, die gerade abgeerntet wurden, für 20 bis 30 Jahre für die Rentierhaltung freigegeben werden könnten. 

Was passiert, wenn der Permafrost auftaut? Könnten Sie das noch ein wenig erklären bitte?

T.W.: Der Permafrostboden besteht aus einem oberen Teil von – je nach Standort 20 Zentimeter bis zu zwei Meter, dem sogenannten ‚active layer‘ oder auf Deutsch ‚Auftauschicht‘.  Diese Schicht friert im Winter wieder ein. Wenn es nun aber immer wärmer wird, friert das active layer nicht mehr vollständig ein, was den darunter liegenden Permafrostboden beeinträchtigt und dazu führt, dass er immer weiter auftaut. Umso aktiver werden die darin lebenden Mikroorganismen, die das organische Material beispielsweise im Torf in CO2 umwandeln oder unter aquatischen Bedingungen sogar in Methan. Die Permafrostböden bestehen zu 90 Prozent aus Eis, wenn sie tauen sind sie sehr, sehr nass, wodurch das noch klimaschädlichere Methan einen großen Anteil der Emissionen ausmachen wird. 

Kontakt

Sabine Letz

M. A. Sabine Letz

Referentin Presse
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Torben Windirsch-Woiwode

Dr. Torben Windirsch

Fellow
torben [dot] windirsch [at] rifs-potsdam [dot] de
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