Navigationstools für den UN-Nachhaltigkeitsdialog
24.10.2019
Das Kopernikus-Projekt ENavi zeigte Ende September bei der 28. Sitzung des Ausschusses für nachhaltige Energie der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (United Nations Economic Commission for Europe, kurz UNECE) in Genf interaktive Simulationstools, die vor Augen führen, wie sich nachhaltige Verkehrsmaßnahmen und der Ausbau von Erneuerbaren-Energieanlagen auswirken.
Stefan Stückrad, wissenschaftlicher Geschäftsführer von ENavi, unterstrich vor dem UNECE-Ausschuss für nachhaltige Energie, dass es für die Umsetzbarkeit von Maßnahmen zur Energiewende wichtig ist, dass Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft diese gemeinsam erarbeiten. Fertige Optionen, die von einem gesellschaftlichen Akteur allein erarbeitet werden, gehen oft an den Bedarfen nicht beteiligter Akteursgruppen vorbei und kommen nicht in die Umsetzung. In ENavi entstehen im transdisziplinären Forschungsansatz, der interdisziplinare Forschung in einen Dialog mit der gesamten Gesellschaft integriert, erprobte Lösungen, die in der Praxis bestehen.
Die ENavi-Partner GCF – Global Climate Forum e.V. und Reiner Lemoine Institut haben auf der UNECE-Sitzung ihre interaktiven Navigationshilfen vorgestellt, die gesellschaftliche Diskussionen zur Energiewende mit datenbankgestützten Visualisierungen stärken.
Decision Theater
Carlo Jaeger, Vorstandsvorsitzender des Global Climate Forum (GCF), stellte das von GCF entwickelte mobile Decision Theater vor. Es basiert auf der ursprünglich an der Arizona State University entwickelten Decision Theater Methode. Im Decision Theater werden Gruppendiskussionen interaktiv durch Visualisierung von Daten und Simulationen auf mehreren großen Bildschirmen unterstützt. Diskussionsteilnehmende können vielfältige Handlungsoptionen zu Szenarien zusammenstellen, mit einem Basisszenario vergleichen und die Konsequenzen ihrer Szenarienwahl in Echtzeit visuell untersuchen.
Das vom Global Climate Forum entwickelte Mobilitätswendemodell „MoTMo“ (Mobility Transition Model) simuliert Szenarien der privaten Mobilitätsnachfrage in Deutschland für den Zeitraum 2005-2035. Akteure aus Wissenschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft finden interaktiv Antworten auf die Fragen: Was werden Millionen von Menschen tun, wenn sie mit einer Prämie für Elektromobilität konfrontiert werden? Oder mit einer Einschränkung für schwere Autos wie SUVs in Städten? Einige geben ihr Auto möglicherweise für ein Elektrofahrzeug ab oder kaufen ein kleineres Auto für die Stadt, während andere auf Carsharing oder öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Das Gesamtergebnis hängt von den individuellen Entscheidungen der Menschen ab, die wiederum von Interaktionen mit anderen, von zugänglichen Informationen und von der Umgebung abhängen, beispielsweise der Verfügbarkeit von Ladestationen oder globaler Marktentwicklungen.
Mithilfe von Tablets können Interessengruppen ihre eigenen Mobilitätsübergangsszenarien erstellen, indem sie verschiedene Handlungsoptionen kombinieren und anschließend ihre Ergebnisse interaktiv auf großen Bildschirmen analysieren. Dies hilft auch bei der Diskussion unbeabsichtigter Konsequenzen politischer Maßnahmen. Ein größeres Angebot an Carsharing kann beispielsweise die CO2-Emissionen erhöhen, wenn Menschen, die früher Fahrräder und Busse benutzten, stattdessen auf ein Auto umsteigen. Die Digitalisierung allein reduziert nicht unbedingt die Emissionen und muss möglicherweise durch andere Maßnahmen unterstützt werden, um den Mobilitätssektor nachhaltiger zu machen. Durch die Interaktion mit dem Modell können die Stakeholder wiederum ihre Erfahrung und ihr praktisches Fachwissen zur Verbesserung des Modells beitragen und so die wissenschaftlichen Ergebnisse und Methoden verbessern.
Das Global Climate Forum treibt den Ansatz von Decision Theater für Nachhaltigkeit im Zusammenspiel mit einer Vielzahl von Interessengruppen kontinuierlich voran und regt kreative Diskussionen an verschiedenen Orten an – von Rathäusern bis hin zu großen Konferenzen zum Klimawandel. Die zugrunde liegenden Simulationsmodellstrukturen und die Decision Theater-Methode können auf andere Herausforderungen einer nachhaltigen Transformation angewendet werden.
Ablauf des Decision Theater im Videopodcast: https://www.youtube.com/watch?v=ScgItAqdJdA&t=159s
Erste Ergebnisse im Audiopodcast: https://www.presseportal.de/pm/127338/4340418
Weitere Informationen: https://www.kopernikus-projekte.de/projekte/systemintegration/digitalisierung-und-energiewende
Stakeholder-Empowerment-Tool für Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien
ENavi-Partnerin Mascha Richter vom Reiner Lemoine Institute erläuterte digitale, simulationsbasierte Tools (Stakeholder-Empowerment-Tools), die auf regionaler Ebene interaktiv darstellen, wie sich der Ausbau regenerativer Energieanlagen auswirkt.
Der Bau Erneuerbarer-Energieanlagen ist mit mehreren Faktoren verbunden, deren Komplexität selbst für Experten eine Herausforderung darstellt. Regionale Visualisierungstools für die Energiebilanz verknüpfen das in einem Energiesystemmodell erzeugte Wissen mit den verschiedenen Themen. Ein benutzerfreundliches webbasiertes Steuerungssystem führt den Benutzer durch die einzelnen Entscheidungsphasen und gibt Antworten und weitere Informationen.
Im Reallabor Sachsen-Anhalt entwickelte das Reiner-Lemoine-Institut ein interaktives Stakeholder-Empowerment-Tool zur Partizipation, Demokratisierung und Regionalisierung der Energiewende. Das Tool visualisiert die Verfügbarkeit von Land, Landnutzung und Anforderungen. Es ermöglicht die Variation von Parametern, die Entwicklung von Szenarien und den Vergleich mit nationalen Zielen. Das Tool kann online getestet werden: https://wam.rl-institut.de/stemp_abw/