Overline: Fellowship
Headline: Neue Lösungen für eine nachhaltige Meeresnutzung

Die Ozeane sind von entscheidender Bedeutung für das Klima, die Ökosysteme, die Ernährung und den Handel. Aber sie werden in vielerlei Hinsicht auf nicht nachhaltige Weise ausgebeutet. Wie können wir das ändern? Dazu forscht Florian Lennert seit April 2024 als Klaus Töpfer Sustainability Fellow am RIFS. Im Interview erläutert er seine Pläne für eine Plattform zur Entwicklung von nachhaltigen Meerestechnologien.

Delphine vor den Azoren: Die Region Makaronesien ist ein wichtiges Reservoir für marine Biodiversität.
Delphine vor den Azoren: Die Region Makaronesien ist ein wichtiges Reservoir für marine Biodiversität. Shutterstock/Daisy Salmon

Sie wollen einen Inkubator für nachhaltige Meeresnutzung in der Region Makaronesien aufbauen. Was planen Sie genau? 

Das Vorhaben zielt darauf ab, angewandte, innovative Lösungen und Technologien für nachhaltige Meeresnutzung und Meeresschutz zu identifizieren und einen Inkubator aufzubauen, der als Innovationszentrum deren Skalierung und Umsetzung durch Start-ups und andere Akteure in der Region befördern kann.  Ziel ist es, die Entwicklung integrierter Lösungen, die synergetisch Meeresschutz, Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel und „blau-grüne“ Innovationen, - also grüne und naturbasierte Technologien auf und im Meer – fördern, aber auch zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung in dieser wichtigen atlantischen Region beitragen.

Macaronesia

Warum gerade die Region Makaronesien?

Die atlantische Region Makaronesien umschließt die Inseln Azoren, Madeira, Kanarische Inseln und Cabo Verde sowie die anliegenden Küstenregionen von Marokko, Mauretanien und Senegal. Sie umfasst somit sowohl den atlantischen Meeresraum des südlichen Europas und der portugiesischen und spanischen Inseln als auch den von westafrikanischen Ländern und bildet so eine maritime, ökologische, soziale und wirtschaftliche Schnittstelle zwischen Europa und Afrika. Die Region hat eine hohe Biodiversität, stellt eine wichtige Fischereizone und beeinflusst durch das tropische Auftriebssystem im Nordatlantik auch das Klima in Europa. Die Region steht aber eben auch exemplarisch für die gewaltigen Herausforderungen für Insel- und Küstenregionen weltweit. Es gibt große Probleme mit Massentourismus, Migration, Überfischung, Energie- und Wasserversorgung sowie dem Meeresschutz. Gleichzeitig bedingt der Klimawandel sowie der erwartete Anstieg des Meeresspiegels eine dringende Anpassung von Infrastrukturen und die nachhaltige Umgestaltung dieser wirtschaftlichen Sektoren. 

Es ist also eine Region, in der sich viele der Nachhaltigkeitsprobleme unserer Zeit potenzieren.

Genau. Es gab auf den Kanarischen Inseln – wie in vielen anderen Regionen - in der letzten Zeit große Demonstrationen gegen den Massentourismus, der eine Überbelastung der lokalen Ökosysteme und Infrastrukturen sowie der sozialen Systeme darstellt. Ganz wichtig ist es deshalb, dort nachhaltigere Formen des Tourismus zu entwickeln.  Gleichzeitig führen der Klimawandel, die Instabilität in der Sahelzone sowie die Überfischung wichtiger Küstenregionen vor Westafrika zu einer starken Zunahme der Migration über den Atlantik nach Europa, insbesondere zu den Kanarischen Inseln.  Hier gilt es gemeinsam mit den lokalen Communities und globalen Netzwerken neue, nachhaltige Meeresnutzungen zu ermöglichen, die den Menschen vor Ort ökologische und wirtschaftliche Zukunftsaussichten bieten können. Wir müssen zukunftsfähige, nachhaltige Lösungen für die Meeresnutzung entwickeln, die sowohl die Meere und deren Ökosysteme schützen, aber auch der wirtschaftlichen, infrastrukturellen und sozialen Daseinsvorsorge in den Küstenregionen der Welt dienen. Hier besteht ein großer Innovations- und Entwicklungsbedarf, den wir dringend angehen müssen, um den Herausforderungen von Klimawandel und globalem Umweltschutz zu begegnen. Die Region ist von großer strategischer Bedeutung für Europa, für den globalen Meeresschutz und für die Entwicklung einer nachhaltigen Blue-Green Economy, die Kooperation mit Westafrika sowie für den Transfer dort erprobter Lösungen in andere Regionen.

Können Sie einige konkrete Ziele des Projektes nennen?

Es besteht dringender Handlungsbedarf, gegenwärtige Meeresnutzungen nachhaltiger zu gestalten. Dies bedeutet einerseits einen viel intensiveren Meeres- und Artenschutz und bedingt andererseits die Entwicklung nachhaltiger, verteilter und resilienter maritimer Infrastrukturen, die einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten, aber auch zur Anpassung an den Klimawandel beitragen.  Dabei geht um Anwendungen in der Meeresbeobachtung und dem Meeresschutz – zum Beispiel durch marine Robotik, digitale Zwillinge, Fernerkundung und autonome Sensorik – beim Ökosystem-Management, bei der Dekarbonisierung von Schifffahrt und Häfen, bei der maritimen Energiewende durch Nutzung von Wellen-, Gezeiten- und Offshore-Solar- und Windenergie, der Entwicklung emissionsfreier Wasseraufbereitung durch Entsalzung und der Entwicklung nachhaltiger mariner Aquakultur von Algen für Ernährung, Bioenergie, Kosmetik und als nachwachsende Ersatzstoffe für industrielle Prozesse wie zum Beispiel in der Plastikherstellung.  Eine spannende Frage ist, wie wir solche Technologien und Infrastrukturen in einem „Multi-Plattform“-Ansatz umsetzen können – etwa durch die technische Integration von verschiedenen erneuerbaren Energien – Wind, Wellen, Gezeiten, Solar – und marinen Aquakulturen in einer Offshore-Plattform.  Genauso wichtig ist die Frage, wie wir solche Lösungen aus der Forschung in die Anwendung transferieren und finanzierbar und marktfähig machen können. Der vorgesehene Inkubator soll die Entwicklung solcher Lösungen vor Ort unterstützen und befördern und Start-ups und Transferprojekten einen Raum bieten, diese vor Ort im Atlantik zu erproben und zu skalieren. 

Wie werden Sie das Projekt während des Fellowships am RIFS verfolgen?

Das Vorhaben soll - auf Basis einer Bestandsaufnahme von verfügbaren und sich in der Entwicklung befindenden Technologien - innovative und naturbasierte Lösungen identifizieren, die einen Beitrag zu einer nachhaltigen „Blue Economy“ in der Region leisten können. Dazu bedarf es eines intensiven Dialoges mit vielen Stakeholdern - aus der Zivilgesellschaft, Meeresforschung, Industrie, NGOs, Verwaltung und den relevanten internationalen Institutionen - sowie der langfristigen organisatorischen Entwicklung eines Innovationsnetzwerkes und Inkubators für die Erprobung, Skalierung und Umsetzung solcher Lösungen. Zusätzlich bedarf es auch der Identifizierung von relevanten Start-ups, möglichen Investoren und Finanzierungsstrategien. Das Fellowship am RIFS ermöglicht so die sorgfältige Vorbereitung und Gestaltung des Vorhabens, die inhaltliche und forschungsbasierte Ausrichtung und die Einbindung verschiedener Stakeholder, Partner und Netzwerke, sowohl in der Region als auch international.

Mit wem kooperieren Sie?

Zentraler Partner vor Ort ist PLOCAN – die Plataform Oceánica de Canarias - eine spanisch-europäische Forschungs- und Entwicklungseinrichtung, die auf den Kanarischen Inseln eine Offshore-Plattform für Ozeanbeobachtung und -forschung sowie ein maritimes Reallabor für die Entwicklung nachhaltiger Meeresnutzungen betreibt, in Zusammenarbeit mit verschiedenen regionalen und europäischen Forschungsinstitutionen. Wir kooperieren auch mit dem Ocean Science Center des GEOMAR auf Cabo Verde, das eine wichtige Rolle in der Meeresforschung vor Westafrika spielt. Ebenso mit Akteuren der Regionalentwicklung aus Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft, verschiedenen Innovationszentren wie dem Marina Innova Hub für nachhaltigen Tourismus auf Lanzarote sowie mit Investoren wie Archipelago Next, einem sich in einem frühen Entwicklungsstadium befindlichen Venture Fund in Las Palmas, und Launch Africa, einem afrikanischen Innovation Fund. Sehr spannend finden wir auch die Kooperation mit Macrocarbon, einem Start-up aus dem Alfred-Wegener-Institut mit Fokus auf der nachhaltigen Züchtung und Nutzung von Makroalgen für verschiedene Anwendungen, das bereits vor Ort auf Gran Canaria seine Technologie entwickelt. Ein weiterer toller Partner ist WeWhale, ein innovatives Unternehmen, das für Touristen nachhaltige Wal- und Delphinbeobachtung im Atlantik und Mittelmeer mit elektrischen Booten anbietet und gleichzeitig den Artenschutz von Meeressäugern unterstützt.

Welche anderen Forschungsinstitutionen sind daran noch beteiligt?

Ich nutze das Fellowship für die Erarbeitung von Kooperationsmöglichkeiten mit den fachlich relevanten Helmholtz-Institutionen, wie z.B. dem GEOMAR, dem Alfred-Wegener-Institut sowie natürlich den Ozean-Governance- und Energieforschungsgruppen am RIFS sowie mit verschiedenen Transferprojekten der Helmholtz-Gesellschaft und anderen deutschen Einrichtungen. Hier geht es auch um die Einbindung von Transfer- und Innovationskomponenten in langfristige Meeresforschungsprogramme wie das vom GEOMAR koordinierte Futuro-2-Programm zu den tropischen Auftriebsregionen im Nordatlantik.  Zusätzlich sind wir dabei weitere internationale Innovationszentren und angewandte Forschungsinstitutionen mit dem Vorhaben zu vernetzen.

Wo wollen Sie am Ende des Jahres am RIFS idealerweise stehen – im Frühjahr 2025 – und welche Fragen sollen dann beantwortet sein? 

Das Ziel ist es, 2025 ein langfristiges Entwicklungskonzept für den Inkubator erstellt zu haben und die angelegten Kooperationen und Partnerschaften umzusetzen. Im Frühjahr 2025 werden wir im Rahmen eines „Sustainable Blue-Green Innovation Summit“ auf den Kanarischen Inseln die wichtigen lokalen, regionalen und internationalen Partner sowie Start-ups und Investoren zusammenbringen und erste Projekte auswählen.