Vorbereitung auf eine ungewisse Zukunft in der russischen Arktis
26.08.2021
Die Umwelt in der Arktis verändert sich besonders rasch, auch in der Region Jamal in Westsibirien. Die künftige Entwicklung – sozial, politisch, wirtschaftlich, ökologisch – ist mit zahlreichen Unsicherheiten verbunden. Ein IASS Discussion Paper stellt die Ergebnisse des Projektes „Jamal 2040: Szenarien für die russische Arktis“ vor, bei dem Forschende mit der lokalen Bevölkerung verschiedene Zukunftsszenarien erkundeten.
Der Rückgang des Meereises, das Auftauen des Permafrostes, die Erosion der Küsten und die Luft- und Wasserverschmutzung bedrohen die Gemeinschaften und Infrastrukturen der Jamal-Region sowie die Flora und Fauna der Region. Ein Beispiel für die Auswirkungen des Klimawandels in der Jamal-Region ist das Massensterben von Rentieren, das in den letzten Jahrzehnten durch plötzliche Temperaturschwankungen verursacht wurde. Die daraus resultierenden Regen-auf-Schnee-Ereignisse und das Auftreten von dickem Eis hinderten die Rentiere an der Nahrungssuche. Solche Ereignisse gefährden die Lebensgrundlagen der indigenen Völker in der Region.
Zusammenarbeit mit indigenen Völkern, Zivilgesellschaft, Industrie und Medien
Ein Team um IASS-Wissenschaftlerin Vilena Valeeva entwickelte gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung zukunftsorientierte Szenarien, um die Risiken und Chancen, die mit den zukünftigen Veränderungen in der Arktis verbunden sind, besser zu verstehen. Die in dem IASS Discussion Paper „Preparing for Uncertain Futures: co-created scenarios for the Russian Arctic“ vorgestellten Ergebnisse sind auch für Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter in anderen Teilen der Arktis und Russlands von Interesse, die von der Ausbeutung fossiler Brennstoffe abhängig oder mit komplexen und unsicheren Situationen konfrontiert sind. Die Forschenden nutzten die Methode der strategischen Vorausschau (Strategic Foresight).
In einer Reihe von Workshops entwickelten sie drei Zukunftsszenarien. Diese berücksichtigen sowohl Klimavorhersagen als auch mögliche ökologische, soziale und kulturelle Belange, wirtschaftliche Möglichkeiten sowie politische und rechtliche Entwicklungen. Verschiedene Interessengruppen wie Organisationen indigener Völker und Umwelt-NGOs, Bürgerinnen und Bürger, die Industrie der Jamal-Region und örtliche Medien waren von Anfang an in das Projekt einbezogen.
Mit neuem Wissen und Strategien in eine ungewisse Zukunft
Die Szenarien zeigen verschiedene Zukunftsperspektiven für die Region auf. In einem Szenario schrumpft das Erdölgeschäft der Jamal-Region als Folge der globalen Energiewende. In einem anderen Szenario boomt die Gasindustrie der Jamal-Region, weil Gas weltweit als Brückentechnologie angesehen wird. In zwei Szenarien erlebt Jamal schwerwiegende Folgen des Klimawandels, wie Regen-auf-Schnee-Ereignisse oder Milzbrandausbrüche und Quecksilberfreisetzungen aus dem auftauenden Permafrost. Diese stellen lebensbedrohliche Herausforderungen für die indigenen Gemeinschaften dar. Das dritte Szenario geht von einer Abkühlung statt einer Erwärmung in Jamal und Europa aus, die sich aus dem Zusammenspiel einer Reihe unerwarteter Klimafaktoren ergibt.
Das Projekt bot den Beteiligten die Möglichkeit, ihr Wissen über die Auswirkungen des Klimawandels und deren Wechselwirkung mit anderen Faktoren, die die Zukunft von Jamal beeinflussen, zu vertiefen und auf ihre eigene Art und Weise, über die Zukunft nachzudenken, zu reflektieren. Zudem wurden gemeinsam mit den Interessengruppen Strategien entwickelt, sich proaktiv auf auf mögliche zukünftige Entwicklungen vorzubereiten.
Publikation:
- Valeeva, V., Gabriel, J., Stephen, K., Nikitina, E., Aksenov, Y., Baronina, Y., Bartels, M. P., Berchelmann, H. H., Davydova, A., Dethloff, K., Grigoriev, M., Handorf, D., Knizhnikov, A., Kotova, L., Kuznetsov, A., Kulikova, O., Semenov, V., Sulyandziga, R., & Weger, L. (2021). Preparing for Uncertain Futures: Co-created scenarios for the Russian Arctic. IASS Discussion Paper, August 2021.