Wie Auszubildende in der Kohleindustrie zu Gestaltern des Wandels werden
19.09.2022
Wie gelingt in der Berufsschule ein Unterricht, der Auszubildende trotz einer bevorstehenden wirtschaftlichen Veränderung darin bestärkt, sich für den Klimaschutz einzusetzen? Am Beispiel von Auszubildenden der Kohleregion Lausitz skizziert ein Team des Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS), wie entsprechende Unterrichtseinheiten zu politischer Bildung und nachhaltiger Entwicklung organisiert sein sollten.
Anhand eines über ein Jahr laufenden Workshop-Zyklus mit zwei Auszubildendenklassen des Braunkohleunternehmens Lausitzer Energie AG (LEAG) haben die beiden Wissenschaftler David Löw-Beer und Victoria Luh einen konzeptionellen Vorschlag erarbeitet, der eine Verbindung von politischem Unterricht mit Bildung für nachhaltige Entwicklung vorsieht, um junge Menschen für politische Beteiligung und aktives Gestalten des regionalen Wandels zu befähigen.
Da die Veränderung der Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit alle Bereiche betreffen wird, sind Unternehmen auch ein Teil der Transformation. Die derzeit rund 1,3 Millionen Menschen (Stand 2021) in Ausbildung können und müssen diese Transformationsprozesse in den kommenden Jahren maßgeblich beeinflussen, dafür ist eine ausreichende Bildung für nachhaltige Entwicklung jedoch unerlässlich.
Schülerinnen und Schüler können in einer berufsbildenden Schule als der vermutlich letzten Station ihrer Ausbildungszeit noch für politische Bildung und nachhaltige Entwicklung erreicht werden. Dass der Übergang von der Schule in den Beruf eine der wichtigsten Phasen der politischen Sozialisation ist, konnten Studien belegen. Ebenso, dass Lernende an berufsbildenden Schulen eine tendenziell negativere Sicht auf Demokratie haben. Gelungener Politikunterricht kann dies kompensieren und sowohl politisches Interesse als auch politische Fähigkeiten bei Lernenden aus politikfernen Familien wecken. „Das Interesse der Schülerinnen und Schüler wurde jedoch eher erschlossen, wenn die Lerninhalte der Workshops auch mit den betrieblichen und persönlichen Alltagsthemen zu tun hatten“, erläutert Erstautorin Victoria Luh.
Fazit aus den Workshops
Bei den Workshops zu politischer Bildung und nachhaltiger Entwicklung, die an den Standorten Jänschwalde und Schwarze Pumpe stattfanden, war das Team vom IASS sowohl in der Moderation als auch in der Beobachterrolle beteiligt. Die beiden Workshopzyklen legten offen, wie Formate mit Anleitung sein sollten, um Auszubildende zu unterstützen, ihre Interessen verständlich und politisch zu formulieren, dabei Informationslücken aufzuzeigen und zu schließen.
Eine in dem Zusammenhang entwickelte und unter allen Azubis umgesetzte Umfrage gab weitere Hinweise für die folgenden Schlussfolgerungen:
Es sollten Inhalte und Methoden angewandt werden, die
- an die Biografien und beruflichen Interessen der Lernenden anschließen. Es sollten
- stabile und langfristig angelegte zeitliche und soziale Kontexte geschaffen werden, in denen
- die Äußerungen der jungen Menschen wertfrei und moderierend unterstützt werden. Außerdem müssen
- konkrete Handlungsräume gemeinsam identifiziert werden.
„Unsere Forschungen zeigen, dass die Auszubildenden in der Kohleindustrie sich nicht nur um ihre eigene Zukunft kümmern, sondern eine hohe Motivation und vielfältige Ideen haben, den regionalen Strukturwandelprozess mitzugestalten. Angesichts der vielen Nachhaltigkeitstransformationen, die im Energie- und Mobilitätsbereich in den nächsten Jahren anstehen, sollten die politische und die Bildung für nachhaltige Entwicklung an beruflichen Schulen gestärkt werden“, erläutert Co-Autor David Löw-Beer.
Publikation:
Victoria Luh und David Löw-Beer: Politische Bildung in Berufsschule und Betrieb als Möglichkeitsraum organisationaler und diskursiver Emanzipation. Auszubildende in der Kohleindustrie im Lausitzer Strukturwandel, unsere Jugend, 09/2022. DOI: http://dx.doi.org/10.2378/uj2022.art56d