Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Wissen zum Handeln

03.09.2020

Die Frage, wie die klimaneutrale Gesellschaft aussehen soll und welche Wege dorthin führen, ist nicht nur eine Frage an die Wissenschaft und die Politik, sondern an die gesamte Gesellschaft. Die Bürgerinnen und Bürger müssen die Transformation zur Klimaneutralität mit gestalten können. Das Handbuch Klimaschutz fasst rund 300 wissenschaftliche Studien zum Thema Klimaschutz zusammen und liefert eine gute Grundlage für einen "Bürgerrat Klimaschutz".

Handbuch Klimaschutz

Die Coronapandemie hat das normale Leben auf der ganzen Welt einschneidend und innerhalb weniger Wochen verändert. Auch der Klimaschutz muss zu weitreichenden Veränderungen des Lebens führen, um das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zu erreichen. Wenn die Folgen des Klimawandels noch halbwegs kontrollierbar bleiben sollen, müssen die Veränderungen in unserer Gesellschaft in einer ganz anderen Geschwindigkeit und Größenordnung erfolgen, als das bisher diskutiert wird: Die klimaneutrale Gesellschaft ist das Ziel.

Es geht darum, klimaschädliche Treibhausgasemissionen zu reduzieren und letztlich in einer klimaneutralen Gesellschaft vollständig zu verhindern bzw. zu kompensieren. Die Frage, wie die klimaneutrale Gesellschaft aussehen soll und welche Wege dorthin führen, ist nicht nur eine Frage an die Wissenschaft und die Politik, sondern an die gesamte Gesellschaft. Die Bürgerinnen und Bürger müssen die Transformation zur Klimaneutralität mit gestalten können– und hier setzt das „Handbuch Klimaschutz“ an, das in Kooperation von „Mehr Demokratie e.V.“ und dem „Bürgerbegehren Klimaschutz“ entstanden ist. Projektleiter und Autor Karl-Martin Hentschel hat mit seinem Team über 300 Studien ausgewertet und stellt auf Basis dieser Studien Handlungsoptionen vor, wie das 1,5-Grad-Ziel in Deutschland doch noch umgesetzt werden kann.

Belastbares Wissen für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger

„Welche Entscheidungen Politik und Gesellschaft aus diesen Erkenntnissen und Einsichten der Wissenschaft ableiten, ist keine Frage der wissenschaftlichen Beurteilung, sondern der politischen Willensbildung“, schreibt IASS-Direktor Ortwin Renn im Vorwort des Handbuchs. „Dass dazu nicht nur die gewählten Repräsentanten der demokratisch gewählten Gremien berufen sind, sollte in einer lebendigen Demokratie selbstverständlich sein. Hier sind alle Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, aktiv an der Willensbildung mitzuwirken.“

Das Handbuch Klimaschutz liefert eine gute Grundlage dafür, dass sich Bürgerinnen und Bürger auf der Basis belastbaren Wissens an der großen Aufgabe Klimaschutz beteiligen und ihre Präferenzen formulieren können. Komprimiert, gut verständlich und übersichtlich zeigt es auf, wie umfassend die bevorstehende Transformation ist: Vom Energiesystem über Planungsrecht bis Digitalisierung, von Mobilität über Industrie und Landwirtschaft bis zur Finanzierung wirft das Handbuch einen ganzheitlichen Blick auf die Aufgabe Klimaschutz, ohne die Leserin, den Leser zu überfordern. Nach der Darstellung der Ausgangslage und der für eine klimaneutrale Gesellschaft notwendigen Rahmenbedingungen findet man im Handbuch Klimaschutz viele konkrete Entwicklungspfade, zwischen den gesellschaftlich entschieden werden muss, etwa wenn es um eine sozial gerechte Ausgestaltung des CO2-Preises geht. Und es werden klare Forderungen aufgestellt, was gesetzlich geregelt werden muss.

Insgesamt sieben Sektoren – Energie, Wärme, Verkehr, Industrie Landwirtschaft, Boden und Abfälle – werden einzeln vorgestellt und auch konträre Meinungen aus den ausgewerteten Studien finden sich in dem Handbuch, samt einer Herleitung, wie die unterschiedlichen Ergebnisse zustande gekommen sind. Die vielen Schaubilder und Tabellen verschaffen einen schnellen Überblick über die verschiedenen Optionen, die für die jeweiligen Sektoren in der Wissenschaft diskutiert werden. Dabei geht es nie nur um technische, sondern immer auch um gesellschaftliche Fragen. Beispiel Windkraft: Die Windkraft kann und muss einerseits einen enorm wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten, was mit konkreten Zahlen belegt wird. Sie führt aber andererseits zu Nutzungskonfllikten und Akzeptanzproblemen, die ebenfalls beachtet werden müssen.

Diskussionsgrundlage für einen „Bürgerrat Klimaschutz“

Das Handbuch soll auch eine neutrale und wissenschaftlich solide Diskussionsgrundlage für einen „Bürgerrat Klimaschutz“ schaffen. Es werden Fragen aufgelistet, die in einem solchen Bürgerrat, der sich aus zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern zusammensetzen soll, besprochen werden könnten. Darunter sind ganz praktische Fragen: „Wie weit dürfte ein Carsharing-Auto entfernt sein, damit Sie es regelmäßig nutzen? Würden Sie es nutzen, wenn es vor die Tür gefahren kommt?“ Aber auch politische Fragen: „Sollen Energienetze rekommunalisiert (von privaten Unternehmen zurück an die Kommunen gehen) bzw. verstaatlicht werden?“

Auch auf das Thema Suffizienz wird eingegangen. Die meisten Studien setzten jedoch vor allem auf technische Lösungen, um klimaneutral zu werden, schreibt Hentschel. Veränderungen des Lebensstils könnten in einer Demokratie nur schwer vorgeschrieben werden. „Insofern konzentrieren wir uns auch in diesem Buch stärker auf Effizienzmaßnahmen. In einem Bürgerrat sollte das Thema Suffizienz allerdings intensiver besprochen werden.“ Eine Reihe von Fragen an unseren Lebensstil und Hinweise, wie man den eigenen Alltag klimafreundlicher gestalten kann, sind dennoch enthalten.

Wer weiter in die Tiefe gehen will, der findet auf der Homepage des Handbuchs umfangreiche Anlagen mit Tabellen und Hintergrundinformationen sowie die Links zu den über 500 Quellen. Diese ergänzenden Informationen sollen nachvollziehbar machen, wie die Ergebnisse im Handbuch entstanden sind.

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Matthias Tang

Matthias Tang

Leiter Presse und Kommunikation
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