Zivilgesellschaftliches Engagement als Chance für den städtischen Wandel
01.07.2024
Städte müssen sich verändern, um fit für die Zukunft zu werden. In Berlin haben das viele Bürgerinnen und Bürger erkannt: Zivilgesellschaftliche Initiativen haben die Transformation der Stadt in den letzten Jahren maßgeblich vorangetrieben. Diese städtischen Gemeinschaften sind dadurch besser für künftige Herausforderungen gerüstet. Verbesserungsbedarf gibt es noch bei der Einbindung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen und teilweise in der Zusammenarbeit mit der Politik.
„Wir haben untersucht, wie sich zivilgesellschaftliches Engagement auf die Resilienz städtischer Gemeinschaften auswirkt. Darunter verstehen wir die Fähigkeit einer Gemeinschaft, sich in Zeiten des Wandels und der Ungewissheit positiv zu entwickeln. Dabei haben wir uns auf ein bestimmtes Feld zivilgesellschaftlichen Engagements konzentriert, nämlich auf Initiativen für Kiezblocks, also für Wohnquartiere ohne motorisierten Durchgangsverkehr“, sagt Nicolina Kirby (RIFS), Erstautorin der Studie. Das Ziel der Forschenden war es herauszufinden, welche Faktoren die Resilienz stärken.
Gebildeter und wohlhabender als die durchschnittliche Berlinerin
Unter 64 Berliner Kiezblock-Initiativen führten sie eine Online-Umfrage durch. 81 Teilnehmende füllten den Fragebogen aus. Zusätzlich interviewten die Forschenden 13 Mitglieder von Bezirksverwaltungen und Kiezblock-Initiativen. Im Zentrum standen Aspekte der individuellen Resilienz wie Bewältigungs-, Anpassungs- und Transformationskapazitäten der einzelnen Mitglieder der Initiativen sowie Aspekte der sozialen Resilienz, etwa die Zusammensetzung der Gemeinschaft, die Stärke ihrer Netzwerke und ihre Funktionsmechanismen.
Zunächst stellten die Forschenden fest, dass die Mitglieder der Kiezblock-Initiativen nicht repräsentativ für Berlin oder Deutschland sind. Sie sind überproportional akademisch gebildet, etwas wohlhabender, weniger ethnisch vielfältig und leben in größeren Haushalten als die durchschnittlichen Berlinerinnen und Berliner. Die meisten Befragten sind in ihrer Nachbarschaft gut vernetzt und finden relativ leicht Anschluss an andere. 42,5 Prozent der Befragten bezeichnen ihr Viertel als Gemeinschaft, und 78 Prozent geben an, dass sie weiterhin in ihrem Viertel leben möchten, weil sie sich mit den Menschen dort verbunden fühlen. Diese starke Bindung, so das Autorenteam, stärkt die Resilienz und damit die Fähigkeit, künftige Herausforderungen zu bewältigen.
Bottom-up und Top-down – es braucht beides
Die befragten Kiezblock-Initiativen sind „Bottom-up“-Initiativen, die von der Zivilgesellschaft angestoßen werden und sich an die Politik und Verwaltung richten. Um eine vielfältigere Gruppe von Menschen zu erreichen, sollte es laut den Autorinnen und Autoren ergänzende „Top-down“-Ansätze geben: Politik und Verwaltung sollten auch für schwerer zu erreichende Bevölkerungsgruppen Möglichkeiten zur Teilhabe und Mitgestaltung der Mobilitätswende schaffen.
Die Gemeinschaft der Kiezblock-Initiativen, so das Fazit, zeigte ein hohes Maß an Resilienz. „Die Mitglieder haben das Gefühl, einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten, und die Initiativen stärken ihre sozialen Netzwerke. Auf lange Sicht ist es aber wichtig für die Resilienz der Gemeinschaft, dass die Politik sich auf die Forderungen einlässt und darauf reagiert“, sagt Nicolina Kirby. Das ist bislang nur teilweise der Fall: Einige der Befragten beschrieben engagierte Unterstützung durch die Bezirksverwaltung, andere hatten den Eindruck, dass die Verwaltung wenig Interesse an einer Umsetzung der Kiezblocks habe.
Nicolina Kirby, Dorota Stasiak, Dirk von Schneidemesser, Community resilience through bottom–up participation: when civil society drives urban transformation processes, Community Development Journal, 2024;, bsae031, https://doi.org/10.1093/cdj/bsae031