Erneuerbare Wärme für alle? Erfahrungen von Vorreiter-Kommunen in Brandenburg
26.11.2024
Die Wärmewende ist ein entscheidender Bestandteil der Energiewende: Rund ein Drittel des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland wird für Raumheizung und Warmwasser in Gebäuden verwendet. Doch anders als beim Strom - wo erneuerbare Energiequellen mehr als 50 % des Mixes ausmachen - lag der Anteil grüner Energie bei der Wärme im Jahr 2023 bei weniger als 18 %. Öl, Kohle und vor allem Gas werden weiterhin in großem Umfang zum Heizen verwendet. Gleichzeitig sind die Energiepreise in den letzten Jahren stark angestiegen, so dass sich viele Menschen Sorgen um ihre Heizkosten machen. Die Wärmewende muss nicht nur die Klimaziele unterstützen, sondern auch langfristig für stabile und faire Energiepreise sorgen.
"Wir sagen schon lange, dass das, was den Bürgern wirklich hilft, erstens günstige Wärme und zweitens günstige Mobilität ist" (Jörg Müller, Vorsitzender des Aufsichtsrats der ENERTRAG SE, im RIFS-Podcast).
Deutschland braucht dringend einen schnellen Übergang zu erneuerbaren und bezahlbaren Wärmequellen. Aber wie kann dies auf lokaler Ebene erreicht werden? Wie können Kommunen eine Vorreiterrolle bei der Umstellung auf saubere, bezahlbare Wärme übernehmen?
In diesem Blogbeitrag und in einer neuen Folge des RIFS-Podcasts „Wandel verhandeln. Nachhaltig in Brandenburg“ gehen wir diesen Fragen mit lokalen Akteuren aus Brandenburg nach. Während die Herausforderungen unbestreitbar sind, zeigen mehrere Kommunen in der Region, dass verschiedene Dekarbonisierungspfade sowohl machbar als auch inspirierend sind.
Prenzlau setzt auf Geothermie
Als Teil des Norddeutschen Beckens bietet Brandenburg günstige Bedingungen für die Geothermie. Prenzlau betreibt mit seinem kommunalen Energieversorgungsunternehmen ein Fernwärmenetz, das den Großteil der 20.000 Einwohner der Stadt versorgt. Derzeit werden etwa 82 % der Wärme durch die Verbrennung von Erdgas erzeugt. Die Stadt hat jedoch ehrgeizige Pläne, um bis 2030 einen Anteil der erneuerbaren Energien von mindestens 80 % an ihrem Wärmemix zu erreichen.
Neben der Wärmeerzeugung aus Biomasse und Biogas will die Gemeinde auch das hydrothermische Potenzial der Region nutzen, um diesen raschen Wandel zu erreichen. Es ist geplant, bis 2025 eine groß angelegte Wärmepumpe für geothermische Energie zu installieren. Dieses System wird Wasser aus einer Tiefe von 1.000 Metern fördern, das dann von der Wärmepumpe weiter erhitzt wird. Das Projekt soll 5.500 Einwohner mit erneuerbarer Wärme versorgen. Die Bundesregierung hat das Projekt mit über 8 Millionen Euro aus dem Programm „Bundesförderung für effiziente Wärmenetze“ unterstützt. Die künftige Wärmeerzeugung in Prenzlau wird sich zunehmend auf die Geothermie stützen, die voraussichtlich 60 % der Wärmeversorgung in der Fernwärmeversorgung ausmachen wird. Außerdem sehen die Pläne einen bedeutenden Anteil für Power-to-Heat-Technologien vor, die es ermöglichen würden, die beträchtlichen Energieüberschüsse aus Wind- und Sonnenenergie in der Region zu nutzen.
Die Stadtwerke hatten die Geothermie bereits in den 1980er und frühen 1990er Jahren in kleinem Umfang genutzt, dann aber wieder aufgegeben, weil russisches Gas billiger und leichter verfügbar war. In jüngerer Zeit wurde die Eignung der Technologie für eine kostengünstige lokale Energieversorgung neu bewertet und ihr erhebliches Potenzial erkannt. Ein Grund für die Suche der Stadtwerke nach alternativen Wärmequellen war die Einführung des Gesetzes über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen im Jahr 2019. Dieses sieht einen stetig steigenden Preis für fossile Brennstoffe vor und birgt so das Risiko steigender Verbraucherkosten für das überwiegend gasbasierte Fernwärmesystem der Stadt.
Aus Sicht des lokalen Versorgungsunternehmens war die Beteiligung der Interessengruppen bei der Erstellung eines Netzumwandlungsplans und der Vorbereitung des Ausbaus des Wärmenetzes von entscheidender Bedeutung. Hauseigentümer und Wohnungsbaugesellschaften, die gemeinsam eine Vielzahl von Immobilien besitzen, wurden eingeladen, ihre Pläne und Erwartungen mitzuteilen. Diese Angaben halfen dem Versorgungsunternehmen, ein umfassendes Kataster zu erstellen, das zur Prognose des Bedarfs und zur Beurteilung der Bereitschaft der Hauseigentümer zum Netzanschluss herangezogen werden kann. Da der Anschluss an das Fernwärmenetz in Prenzlau - anders als in einigen anderen Städten - nicht verpflichtend ist, muss das Versorgungsunternehmen Hauseigentümer und Wohnungsunternehmen aktiv von den Vorteilen eines Netzanschlusses überzeugen. Diese haben nach wie vor die Möglichkeit, sich für individuelle Heizlösungen zu entscheiden.
Wie Prenzlau macht auch die Stadt Neuruppin Fortschritte bei ihren Geothermieprojekten, die in naher Zukunft 80 % der Fernwärme liefern sollen. Auch darüber sprechen wir in unserem Podcast.
Hennigsdorf kombiniert erneuerbare Energiequellen und intelligente Speicher
Hennigsdorf, in der Nähe von Berlin gelegen, ist ein weiteres überzeugendes Beispiel für eine gelingende Wärmewende. Die Stadt strebt eine CO₂-neutrale Fernwärmeversorgung an, indem sie regionale Ressourcen nutzt.
Der örtliche Energieversorger nutzt die Abwärme eines Elektrostahlwerks sowie Wärme aus einer solarthermischen Anlage, einer Bioerdgasanlage und einem Biomassekraftwerk. Ein multifunktionaler Wärmespeicher, der Wasser als Trägermedium nutzt, spielt in dem System eine entscheidende Rolle. Dieser Speicher nimmt überschüssige Wärme aus dem Stahlwerk und anderen Quellen auf, speichert sie und trägt dazu bei, Schwankungen in der Wärmeerzeugung und im Spitzenverbrauch auszugleichen - auch über einen längeren Zeitraum (saisonaler Ausgleich) - und ermöglicht so die Integration von intermittierenden Energiequellen wie dem Stahlwerk und den Solaranlagen. Geplant ist auch der Bau eines zweiten Speichers, der teilweise durch Crowdinvesting finanziert wird. Mit einem Fassungsvermögen von 5 Millionen Litern Wasser wird dieser neue Speicher den Stadtwerken einen großen Spielraum für zukünftige Energiequellen eröffnen. Die Umstellung nimmt Fahrt auf: Während 2010 noch 59 % der Stadt an die Fernwärme angeschlossen waren, versorgt das Netz heute 80 %. Die Vielfalt der Energiequellen trägt dazu bei, das kurzfristige Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien von 60 % auf 80 % zu erhöhen, zu erreichen.
Das Stadtwerk betont die Bedeutung von Transparenz und offener Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit und den Interessengruppen. Diese Bemühungen seien vor allem zu Beginn der Energiewende vor mehr als 15 Jahren entscheidend gewesen, da die Investitionen zunächst zu höheren Heizkosten führten. Die Crowdfunding-Initiative für das Speichersystem diente nicht nur dazu, die Pläne in der Bevölkerung bekannt zu machen, sondern ermöglichte es den Bürgerinnen und Bürgern auch, an den wirtschaftlichen Vorteilen des Projekts teilzuhaben. Sie können in das Projekt investieren und erhalten jedes Jahr einen Teil ihrer Investition zu einem über dem Marktniveau liegenden Zinssatz zurück.
Trotz der beachtlichen Fortschritte bleiben einige Herausforderungen bestehen, insbesondere die politische Ungewissheit hinsichtlich der künftigen politischen Unterstützung der Wärmewende auf Bundes- und Landesebene.
Auf der Suche nach maßgeschneiderten Lösungen
Einige Kommunen haben nur eine geringe Einwohnerzahl, andere haben eine große Ausdehnung, was den Aufbau eines Fernwärmenetzes verhindern kann. In solchen Fällen müssen alternative Lösungen umgesetzt werden. Die Gemeinde Nechlin im Uckerland beispielsweise nutzt überschüssigen Strom von den örtlichen Windkraftanlagen. Die Gemeinde hat ein kleines Netz entwickelt, das Windstrom zur Erwärmung von Wasser nutzt, das dann gespeichert und zur Beheizung von rund 40 Haushalten verwendet wird. Andere ländliche Gebiete setzen auf Biogas oder Biomasse als alternative Energiequellen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es keine Einheitslösung gibt, die für alle passt. Einige Gemeinden können von der Nutzung der Abwärme der örtlichen Industrie profitieren, während andere die günstigen hydrogeologischen Bedingungen für geothermische Energie nutzen oder sich Sonnenenergie oder Biomasse zunutze machen können. Jede Gemeinde muss in Zusammenarbeit mit ihren Bürgerinnen und Bürgern und Interessengruppen die optimale Kombination von Technologien und Verfahren ermitteln, die ihren spezifischen Gegebenheiten entspricht.
Literatur:
BDEW. (2023). Wie heizt Brandenburg? - Regionalbericht.
Devenish, A., & Lockwood, M. (2024). Local-led Governance of Residential Heat Transitions: Neue Erfahrungen und Lehren aus dem niederländischen Ansatz. Energy Policy, 187, 114027.
Krikser, T., Ehlers, M.-H., & Profeta, A. (2024). Erfahrungen und Erwartungen an die kommunale Wärmeversorgung in Deutschland. Energie, Nachhaltigkeit und Gesellschaft, 14(1), 4.
Martínez, S. H., Harmsen, R., Menkveld, M., Faaij, A., & Kramer, G. J. (2022). Kommunen als Schlüsselakteure bei der Wärmewende zur Dekarbonisierung von Gebäuden: Erfahrungen aus der lokalen Planung und Umsetzung in einem Lernkontext. Energiepolitik, 169, 113169.