Krisen als Wendepunkte für die Dekarbonisierung
02.02.2024
Wirtschaftskrisen können zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen führen. Die Politik muss allerdings die Energie- und Klimapolitik von vornherein krisenresilient gestalten. In der Krise selbst sollte sie mit grünen Konjunkturpaketen Maßnahmen fördern, die einen nachhaltigen Strukturwandel vorantreiben.
Für ihre in „Climate Policy“ veröffentlichte Studie verglichen die Autoren die Auswirkungen der Weltfinanzkrise (ab 2007) und der Covid-19-Krise (2020/21) auf die Treibhausgasemissionen und die Energiepolitik in Deutschland und Spanien. In Deutschland hatte die Finanzkrise nur einen moderaten Einfluss auf die Emissionsentwicklung, während in Spanien die Finanz- und Eurokrise (2008-2013) zu einem Rückgang der CO2-Emissionen um rund 30 Prozent führte. Die Covid-19-Krise hingegen führte in beiden Ländern zu einer deutlichen Emissionsreduzierung (12 Prozent in Spanien und 5,5 Prozent in Deutschland).
Langfristiger Wandel braucht strategische Investitionen
„In Spanien gab es während der Weltfinanzkrise einen erheblichen Abschwung der Bauindustrie und eine radikale Abkehr von der Kohle, weil diese ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit verlor. Infolgedessen gingen die spanischen Emissionen während und nach der Finanzkrise stark zurück. In Deutschland hingegen setzten sich während der Finanzkrise bereits bestehende Dekarbonisierungstrends fort. Die Emissionen sanken also in ähnlichem Tempo wie vorher“, erläutert Erstautor Germán Bersalli vom RIFS.
In der Covid-19-Krise gelang es den Regierungen in beiden Ländern mit politischen Maßnahmen zumindest teilweise, die Ziele der wirtschaftlichen Erholung und der langfristigen Dekarbonisierung in Einklang zu bringen. So tätigten sie strategische Investitionen mit einer langfristigen Perspektive, wie Infrastruktur- und technologiespezifische Förderprogramme, die ein Potenzial für einen Strukturwandel haben. Dazu zählten Kapitalspritzen für die Bahninfrastruktur und für kohlenstoffarme Technologien. Allerdings waren die Maßnahmen noch nicht ausreichend, um die langfristigen Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Andere Maßnahmen, etwa Steuererleichterungen, hatten keinen nachhaltigen Effekt auf die Emissionsentwicklung.
Krisen als Zeitfenster für Klimapolitik
Damit eine Krise zu einem Wendepunkt fürs Klima wird, so das Fazit der Autoren, muss die bereits vor der Krise bestehende Förderpolitik so gestaltet sein, dass sie dem in Krisenzeiten auftretenden fiskalischen Druck standhält. Bersalli nennt dafür zwei Beispiele: „Der spanische Einspeisetarif für erneuerbare Energien war zu stark vom Staatshaushalt abhängig und wurde deshalb im Zuge der Sparmaßnahmen während der Finanzkrise abgeschafft. In Deutschland, wo es ein anderes Fördersystem für erneuerbare Energien gab, konnten die Investitionen in grüne Energien fortgesetzt werden.“ Entscheidend für die Emissionsentwicklung sei zudem die Schwere der Krise und die politische Reaktion.
Eine Krise löse also nicht automatisch einen Strukturwandel aus, sei aber durchaus ein Zeitfenster, in dem politische Schritte im Sinne des Klimaschutzes möglich sind.
Bersalli, G., Tröndle, T., Heckmann, L., & Lilliestam, J. (2024). Economic crises as critical junctures for policy and structural changes towards decarbonization – the cases of Spain and Germany. Climate policy.
https://doi.org/10.1080/14693062.2024.2301750